Читать книгу Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens. Wie wir den Traum von Ich und Welt mit Achtsamkeit, Mitempfinden und offenem Gewahrsein meistern und befreiende Luzidität erlangen können онлайн
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Wir erfahren ein kontinuierliches Schwingen zwischen Form und Formlosigkeit, und doch erscheinen Leben und Sterben unserem dichotomischen Denken als unversöhnliche Gegensätze; und an dem einen haftend, fürchten wir das andere. An dem einen festhaltend, entgeht uns das andere. »Sein oder Nichtsein?«, fragt unser Bewusstsein, denn die übergegensätzliche Einheit von Wahrnehmung und Leerheit kann es nicht erfassen. Seine Funktion ist es, die Dinge auseinanderzuhalten und einzuordnen. Das Bewusstsein lebt in seiner eigenen virtuellen Welt von Namen und Vorstellungen und hält an seinen reduktionistischen und einseitigen Überzeugungen und Begriffen als empirische Wirklichkeit fest.
Hier liegt also eine grundlegende Verwechslung vor, die weitreichende negative Folgen hat, denn wenn die Prämisse falsch ist, sind auch die daraus gezogenen Schlüsse falsch. Daraus ergibt sich eine Kette von Fehlwahrnehmungen. Das denkende Bewusstsein lebt in einem Traum von Fassbarkeit und Pseudowissen, der zwar mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt, aber sprachlich und gedanklich von der Mehrheit der Menschen immer wieder formuliert und als gemeinsames Erleben geteilt wird. Die Glaubenssätze oder geistig-seelischen Konstrukte einer Person sind deshalb auch immer kontextuell in der Verbindung mit seiner Familie und Gesellschaft zu untersuchen, um ihre Textur zu verstehen und sie, falls nötig, lösen zu können.