Читать книгу Kunst des Lebens, Kunst des Sterbens. Wie wir den Traum von Ich und Welt mit Achtsamkeit, Mitempfinden und offenem Gewahrsein meistern und befreiende Luzidität erlangen können онлайн

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Das grundlegende Leitmotiv eines religiösen Lebens im Christentum, Judentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus besteht nach wie vor darin, sich von negativen Charaktereigenschaften oder Untugenden zu befreien. Als da wären Selbstsucht, Ignoranz, Gleichgültigkeit, Rücksichtslosigkeit, Überheblichkeit, Eifersucht, Begierde, Neid und Zorn. Es geht um die Befreiung von aller Anhaftung an Dinge und Sinnesreize, an Körper, Ich und Welt. Es gilt, positive Qualitäten wie Selbstlosigkeit, Mitgefühl, Liebe, Mitfreude und Gleichmut sowie Tugenden wie Freigebigkeit, Geduld, Selbstbeherrschung, freudiges Bemühen im Guten, geistige Sammlung und klar unterscheidende Weisheit zu kultivieren.

Der Wert und Sinn von guten Werken und von altruistischem Handeln, von Verzicht auf Besitz und leibliche Genüsse, Selbstüberwindung, Nächstenliebe, Gebet, Stillewerden und Kontemplation wurde früher stärker als heute in ihrem natürlichen Zusammenhang von Ursache und Wirkung gesehen und war eingebettet in die selbstverständliche Perspektive eines Weiterlebens nach dem Tode und einer göttlichen, ausgleichenden Gerechtigkeit, die, einfach und treffend formuliert, darin besteht, dass »jeder das ernten wird, was er einmal selbst gesät hat«. Die Früchte, die wir ernten werden, entsprechen der Art von Samen, die wir gelegt haben. Die Welt zu überschreiten und das Ego zu überwinden war das hohe Ziel, und das Streben nach Heiligkeit, Erlösung und Erleuchtung war allgemein anerkannt und als höchste Leistung des Menschen überaus geachtet. Wenn ich hier »war allgemein anerkannt« schreibe, dann deshalb, weil in diesem »Zeitalter der Degeneration«, wie »der zweite Buddha« Padmasambhava unsere Zeit in seinen Prophezeiungen nennt, der eigentliche »Sinn und Zweck« dieses Menschenlebens und die Richtlinien eines ethischen Handelns immer mehr unter einer Fülle von Informationen, Meinungen und Zeitvertreiben verschüttet werden.

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