Читать книгу Kulturtheorie. Einführung in Schlüsseltexte der Kulturwissenschaften онлайн

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Hinter SimmelsSimmel, Georg Argument steckt aber indirekt eine wichtige These, nämlich die Auffassung, dass Emotionen eine wichtige Rolle für die eigene Selbstversicherung spielen. Die vorbehaltliche und provisorische IdentitätIdentität und die Abkühlung der eigenen Emotionen bedingen einander. Auf paradoxe Weise hat – so wenigstens das SelbstbildSelbstbild – der emotional distanzierte Mensch ohne fixe Identität eine weit höhere Verfügungsgewalt über sich selbst als der Mensch, der aus seinen Emotionen eine starke Identität bezieht, aber diesen zugleich ausgeliefert ist. Ihm ist der Kompromiss wesensmäßig fremd. Demgegenüber attestiert SimmelSimmel, Georg dem charakterlosen Menschen der Geldkultur eine „Tendenz zur Versöhnlichkeit“.19 Das hängt mit einer weiteren Facette seiner kollektiven Disposition zusammen, die man heute als IndifferenzIndifferenz bezeichnet, als GleichgültigkeitGleichgültigkeit. SimmelSimmel, Georg bescheinigt dem Menschen der modernenModerne, modern, -moderne Kultur „Gleichgültigkeit gegenüber den Grundfragen des Innenlebens“,20 damit aber auch eine Gleichgültigkeit sich selbst und dem anderen gegenüber. Diese Gleichgültigkeit hat mehrere Aspekte. Zunächst einmal bedeutet die Gleichgültigkeit positiv gesehen, dass mein Gegenüber, ungeachtet seiner Herkunft und seines GeschlechtsGeschlecht (Gender), Geschlecht-,, gleich gültig ist, seine Besonderheit interessiert mich nicht weiter. GeldGeld ist ein radikaler leveller, hat MarxMarx, Karl einmal attestiert.21 Etwas von dieser Gleichgültigkeit des Geldes ist in die modernen zwischenmenschlichen Beziehungen eingeschrieben. Was übrigens nicht bedeutet, dass in dieser Kultur der Einzelne gänzlich wertlos wäre, ganz im Gegenteil. Vielleicht lässt sich zur Illustration für diese kulturelle Befindlichkeit noch ein weiterer berühmter Autor aufrufen, nämlich Milan KunderaKundera, Milan, der die geniale Formel von der „unerträglichen Leichtigkeit des Seins“ zum Titel seines wohl prominentesten Romans gemacht hat. Um sich leichtfüßig zu bewegen, muss man möglichst viel Ballast abwerfen, die Schwere des Gefühls, der Metaphysik, der eigenen Person. Freilich legt allein schon der Romantitel nahe, dass diese Leichtigkeit am Ende unerträglich sein könnte und – mit SimmelSimmel, Georg gesprochen – das BegehrenBegehren nach Schwere auslöst.22

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