Читать книгу Auf nach Wien. Kulturhistorische Streifzüge онлайн

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Die Lichtstärke der Neonröhre war groß, ohne zu blenden. Die Linien, die sie durch die Nacht zog, verhielten sich zur Glühlichtreklame, so der Kulturhistoriker Wolfgang Schivelbusch, wie ein stromlinienförmiger Rennwagen zur ersten Benzinkutsche. Klar, modern und dynamisch, verkörperte die Neonröhre die Licht-Version der Stromlinie.

Euphorisch sprach man in Wien, wie auch in anderen Großstädten, vom »Zeitalter des Lichts«, das nun angebrochen sei, von der »Nacht ohne Finsternis« und einer »neuen Symphonie der nächtlichen Lichtstadt«. Endgültig schien die Nacht besiegt, hatte die Stadt sich ihrer bemächtigt und sie in ihre Dienste gestellt.

Ganz anders sahen dies konservative Kreise der Bevölkerung, insbesondere die Anhänger der seit der Jahrhundertwende in Deutschland und Österreich aktiven Heimatschutzbewegung. Sie empörten sich über die zunehmende Dominanz der kommerziellen »Lichtflut«, die das traditionelle Stadtbild verunstalte, und kritisierten die Unmengen an Lichtern, die die Augen überreizten und ein visuelles Chaos auf den Straßen erzeugten. Die natürliche Nacht, so befürchtete man, komme in der Stadt rein gar nicht mehr zur Geltung. Sozialpsychologisch gesehen schienen die zuckenden Lichtreklamen, wie der Feuilletonist Siegfried Kracauer diagnostizierte, wie »ein flammender Protest gegen die Dunkelheit unseres Daseins, ein Protest der Lebensgier«, mit dem man die existenzielle Leere und Müdigkeit des modernen Großstadtbewohners verdecke. All diese Kritik wurde letztlich von den wirtschaftlichen Argumenten zurückgedrängt, wenngleich die zunehmende Verwendung von Leuchtstoffröhren immerhin zu einer deutlichen Lichtberuhigung im Straßenbild führte.

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