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Dann war ein anderer Lehrer da, «Chleb» nannten wir ihn, der aussah wie Gerhart Hauptmann nach einer Verjüngungskur. Der war mit einem aus unserer Klasse befreundet, mit der Zwetschge, einem Burschen, der lang war wie ein Fastentag – und Zwetschge hieß er, weil er beim Sprechen die Worte durch die Nase zu quetschen schien. Dieser Chleb hatte der Zwetschge Sigmund Freuds Traumdeutung geliehen (die war damals gerade modern), und das Buch lasen wir alle, worauf unsere Rede so dunkel wurde und voll Symbolgehalt, dass sie einer Geheimsprache glich.

Ich habe mich oft gefragt, ob ich in diese Zeit nicht Fähigkeiten hineindichte, die gar nicht vorhanden waren. Aber dann scheint mir doch, als sei der sonderbare Instinkt, den wir bei der Beurteilung der Erwachsenen, der Lehrer, entwickelten, doch vorhanden gewesen. Es war wirklich so, als hätten wir das spezifische Gewicht ihres Charakters erfassen können. Unser Ohr muss damals geschärfter gewesen sein für den Ton der Worte, und in diesem Ton klang oft, nur allzu oft, eine gewisse Selbstüberheblichkeit mit, die des notwendigen Unterbaues ermangelte und daher unecht wirkte. Es ist merkwürdig, dass dieses Gefühl für das Unechte im Nebenmenschen später sich abstumpft. Es wird wohl so sein müssen, sonst ginge ja alle Geselligkeit zum Teufel, und es widerstrebt wohl jedem, als der arme Hund dazustehen, der er nun einmal ist.

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