Читать книгу Die Unbeirrbare. Wie Gertrud Heinzelmann den Papst und die Schweiz das Fürchten lehrte онлайн
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Gertrud Heinzelmann protestierte zum ersten Mal, als sie noch in Wallisellen zur Schule ging, ein Backfisch im Faltenrock und mit langen Zöpfen. Frech marschierte sie an der Spitze der 1.-Mai-Kundgebung durch das Dorf, eine hoch aufgeschossene Gestalt, trotz jugendlich schlechter Körperhaltung überragte sie viele Erwachsene, und von weitem leuchteten ihre roten Haare, die sie vom Vater geerbt hatte. Wallisellens Bürgertum schauderte, die wohlhabende Kaufmannstochter unter den Sozialisten. Beim Vorbeimarsch wurde sie scharf zur Rede gestellt, ob sie mit den Roten nun gemeinsame Sache mache. Sie habe, sagt Gertrud Heinzelmann, geantwortet: «Ich bin hier die Frauenstimmrechtssektion.» Mit ihrem Beitritt zum Stimmrechtsverein erhält ihr Aufbegehren einen öffentlich anerkannten Ort, spielt sich fortan im Rahmen von Sitzung und Beschlussfassung ab und kann nicht mehr länger als jugendliche Flause abgetan werden.
Gertrud Heinzelmann um 1934.
Für ihre religiöse Veranlagung weiß die Gymnasiastin keinen Ort. Durch Wallisellen zieht sich ein unsichtbarer Graben zwischen der überwiegenden protestantischen Mehrheit und den Katholiken. Erstere schauen abschätzig auf die «Katholen» hinunter, die als ungelernte Arbeitskräfte in den Fabriken oder im Haushalt beschäftigt sind, im Dorf keine eigene Kirche haben und den Priester mit der Nachbargemeinde teilen müssen. Hin und wieder besucht Gertrud Heinzelmann die Sprechstunden des zuständigen Geistlichen und will Erklärungen, weshalb sie nicht ministrieren darf, weshalb eine Frau nicht wie ein Mann predigen, die Beichte abnehmen und das Abendmahl austeilen dürfe. Die Besuche führen zu heftigen Debatten, die der Geistliche mit dem Hinweis beendet, dass sie alles nachlesen könne bei Augustinus oder Thomas von Aquin, und mit einem theologischen Band aus der priesterlichen Bibliothek wird sie nach Hause geschickt. Was sie bekümmert, wofür der Priester kein Einsehen hat und was auch die Familie bei ihrem «Betblätz» nicht versteht, drückt sie in Gedichten aus. In ihrem Dachzimmer schreibt sie am 3. November 1933: