Читать книгу Die Unbeirrbare. Wie Gertrud Heinzelmann den Papst und die Schweiz das Fürchten lehrte онлайн
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Ähnlich wie mit dem Eispickel verhält es sich mit den vier Schweizer Franken. Auch sie bedeuten eine Absage an den Lebensweg der Mutter und demonstrieren den Anspruch auf einen Platz in der Öffentlichkeit. Deutschland und Österreich führten das Frauenstimmrecht nach dem Ersten Weltkrieg ein, ebenso Großbritannien, Irland, Schweden, Dänemark und die Niederlande. Noch früher konnten bereits die Finninnen und Norwegerinnen abstimmen. Am Mädchengymnasium ist die politische Gleichberechtigung kein Thema, das Gertrud Klasse beschäftigt hätte, jedenfalls erinnern sich ehemalige Schulkolleginnen nicht daran. In den Jahren der Wirtschaftskrise und des aufkommenden Faschismus ist das Frauenstimmrecht für eine Gymnasiastin nicht das Gebiet, auf dem sich Lorbeeren holen ließen. Zu viel Widerstand von allen Seiten. Selbst ein Studium und der Wunsch nach späterer Berufstätigkeit haben bereits einen rebellischen Anstrich. Katholisch-Konservative führen Brandreden gegen den Zerfall der Familie und machen die Ansprüche der Suffragetten dafür verantwortlich. Bürgerliche hetzen vereint mit der faschistischen Nationalen Front gegen verheiratete Frauen in qualifizierten Berufen, solche Arbeitnehmerinnen seien schamlose Doppelverdienerinnen, die man durch arbeitslose Familienväter ersetzen müsse. Kaum eine junge Frau meldet sich bei den hundertdreißig, zumeist älteren Zürcher Stimmrechtlerinnen. Die Präsidentin blickt bereits zuversichtlich vorwärts, wenn im Vereinsjahr nicht mehr Todesfälle zu verzeichnen sind, als es Neueintritte gab. Aber auch unter den Kämpferinnen, so ihre Klage, mache sich «Müdigkeit und Verdrossenheit» bemerkbar: «Man beginnt auch bei uns, den Argumenten der Gegner Gehör zu schenken und die, ach so oft gehörte, aber im Grunde billige Phrase – in solch schweren Krisenzeiten hätten die Frauen statt einseitig ihre feministische Liebe zu verfolgen aufs Wohl des Ganzen bedacht zu sein – gedankenlos nachzusprechen.»2