Читать книгу Die Unbeirrbare. Wie Gertrud Heinzelmann den Papst und die Schweiz das Fürchten lehrte онлайн
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«Die Rückwendung der Reflexion auf das eigene Bewusstsein war schon in früher Kindheit ein spontanes, unauslöschliches Erlebnis gewesen. Nun fand ich einen Grossen, der es unternommen hatte, diesen Weg nach innen konsequent und folgerichtig bis zum Samadhi zu gehen. Die yogistischen Übungen, die ich nach den Beschreibungen betrieb, empfand ich als unerhört stärkend. Sie bauten mein Selbstbewusstsein auf und verliehen mir ein Selbstwertgefühl, das die vom Pfarrer verabreichte kirchliche Literatur nie zu vermitteln vermochte.»3
Möglicherweise wissen die Eltern über die Meditationsübungen ihres «Betblätzes» Bescheid, denkbar ist aber auch, dass Gertrud Heinzelmann ihre Erfahrung für sich behält, um dem familiären Unverständnis zu entgehen. Gegenüber ihrem Onkel, dem sie viel anvertraut, erwähnt sie nichts. Über sich sagt sie als alte Frau: «Ich habe einen religiösen Stich bekommen, den ich von einem anderen Ort als der Familie habe. Es ist eine Begabung für mich.»
Am Gymnasium sitzt Gertrud Heinzelmann in der hintersten Bankreihe. Regungslos wie eine Pflanze sei sie auf ihrem Stuhl gesessen und wegen ihrer Intelligenz und ihrem phänomenalen Gedächtnis aufgefallen, sagen ehemalige Mitschülerinnen. Belastbar sei sie gewesen. Die Städterinnen finden ihre langen Zöpfe gar ländlich, und Gertrud Heinzelmann lässt sich, nachdem der mütterliche Widerstand endlich gebrochen ist, in den oberen Klassen die Haare modisch kurz schneiden. In den letzten Wochen vor dem Abitur geht die Französischlehrerin den Bankreihen entlang mit der Frage, was jede Schülerin studieren werde. Pharmazie, Medizin, am liebsten Veterinärmedizin, ein Sprachstudium und anderes erhält sie zur Antwort, dazwischen auch verlegenes Zögern. Zu hinterst im Klassenzimmer gibt es keine Stockungen, die Antworten kommen bestimmt, und als Gertrud Heinzelmann an der Reihe ist, sagt sie, was schon zwei vor ihr gesagt hatten: ein Studium der Rechtswissenschaften. Onkel Paul schreibt sie zuversichtlich: