Читать книгу Inspiration Schweiz. 70 Autoren, Künstler, Musiker, Schauspielerinnen an 70 Schauplätzen онлайн

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Und er hatte mächtige Freunde. Wenn es brenzlig zu werden drohte, zog er sich gern in ein «kaltes Schneckenhaus der geistigen Unabhängigkeit» (Stefan Zweig) zurück; so liess er etwa 1523 in Basel seinen todkranken, verzweifelten Freund Ulrich von Hutten vor seiner Tür schmoren.

Seinen Ruhm konnten derlei unschöne Vorfälle nicht mindern, im Gegenteil. Deutsche, Engländer und Franzosen wollten Erasmus als einen der Ihren vereinnahmen. Päpste, Kaiser und Könige suchten seinen Rat und belohnten ihn mit Ehrenpensionen, Pfarreien oder auch (imaginären) Bistümern auf Sizilien. Zwingli und Luther wollten den «Goliath» für die Sache der Kirchenreform gewinnen. Erasmus war nicht unempfänglich für Schmeicheleien und alles andere als ein Held. Mut, sagte er einmal, ziert den Schweizer Söldner; der Gelehrte brauche Ruhe. Aber er liess sich nicht kaufen oder einschüchtern.

Erasmus hatte an den bedeutendsten Hochschulen Eu­ro­pas gelehrt – Sorbonne, Oxford, Cambridge, Padua, Bolo­g­na, Löwen – und in den wichtigen Metropolen seiner Zeit gelebt, in Venedig, Florenz, Rom, Paris, London. Er stand mit den grossen Geistern seiner Zeit, von Thomas Morus bis Luther, auf vertrautem Fuss und hatte zu allem etwas zu sagen: Fürsten- und Kindererziehung, Gnadenwahl und Bauernkrieg, Grammatik und Bibel, Diät und Dummheit. «Adagia», seine Zitatsammlung antiker Schriftsteller, wurde zum unentbehrlichen Vademecum intellektueller Snobs; sein berühmtes «Lob der Torheit» («Nur wer im Leben von der Torheit befallen ist, kann wahrhaft Mensch genannt werden») erlebte noch zu seinen Lebzeiten 36 Auflagen. In seinen «Colloquia familiaria» plauderte er über verlauste Gasthausbetten und die Vorteile des Frühaufstehens, gebildete Frauen und seine kratzbürstige Basler Haushälterin Margarete Büsslin.

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