Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн

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In Budapest versuchte er seinen Wintermantel zu verkaufen und machte dabei die für einen zwinglianisch erzogenen Schweizer aufregende Erfahrung, daß die Ungarn trotz aller Armut nicht verbittern, sondern »gelassen, gemütvoll lächeln: das Leben ist ein Ferienaufenthalt, wo die Figuren vor dem Letzten die Achseln zucken«.63 Aus Sarajewo liefert er ein erstes Beispiel seines später selbstkritisch konstatierten »male chauvinism« (Montauk): Die Verschleierung mache die Frauen erst richtig reizvoll, »heikle Halsausschnitte und schamlose Kurzröcke« bestehlen den Mann, »der immer ein Träumer ist, um alles Erahnen«.64 Aus Serbien berichtete er über Klosterbesuche und zeigte dabei eine frühe Meisterschaft in poetischer Naturbeschreibung: »Überm Wasser kommt ein Hauch, welcher den Seespiegel fleckenweise verkräuselt und mit den Silberpappeln spielt. In langen Uferalleen beginnt jenes Flimmern, wenn die Blätter ihre helle Unterseite aufwenden, und im Schilfblaß platschen schwarze Büffel …«65 Leider erfahren wir wenig über die Klöster selbst, so sehr schieben sich des Autors Empfindungen vor das Objekt. Zur Balkanreise gehörte auch eine Fußwanderung von Athen nach Korinth und Delphi. Sie muß eindrücklich gewesen sein. In verschiedenen Artikeln und im Homo faber berichtete er davon. Dem jungen Wanderer gefielen die Ruinen und die Gastfreundschaft der einfachen Leute, »die zufrieden sind«.66 Wir Westeuropäer, sinnierte er, »können die Handlungen eines Mitmenschen niemals hinnehmen, ohne nach einem heimlichen Zweck zu suchen, weil wir den Glauben verloren haben, daß es bisweilen Dinge gibt, welche kein Geschäft sein sollen und keinen Zweck haben, sondern bloß einen Sinn, welchen wir nun Liebe oder Gastfreundlichkeit nennen mögen«.67

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