Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн
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Und das Schicksal hält sie ihm bereit: Inge erkrankt unheilbar. Von rasenden Schmerzen gepeinigt, verlangt sie die erlösende Spritze. Eine Sterbehilfe-Debatte entbrennt, doch niemand ist »stark« genug zur »wahrhaft liebenden« Tat. Erst Jürg, von Istanbul zurückgekehrt, verhilft der Kranken zur Überdosis Morphium. Die »männliche Tat« ist vollbracht, Jürg ein Mann – ohne seine Reinheit verloren zu haben!75
Jürg Reinhart wurde von der deutschen Tageskritik hochgelobt.76 Auch Eduard Korrodi pries das Werk in der NZZ vom 14. Oktober 1934. Werner Coninx hingegen fand das Buch mißlungen. Frisch berichtete in einem Brief: »Er ist ein Freund: er hat mir meinen Erstling mit Liebe zerrissen, aber so treffsicher, daß ich manchmal den Eindruck hatte, ich verstünde überhaupt nichts von Dichtung … Dreiviertel des Buches verwirft er, und ich war sehr beeindruckt, mit welcher Wahrheit und zugleich Schüchternheit er meine Anlagen und Gefahren sieht. Nicht literarisch ist sein Urteil, sondern unendlich größer: er sieht den Menschen, und wenn er mir mit freundschaftlichen und bescheidenen Worten andeutet, wo ich Stärke vortäusche an Stelle einer wirklichen Schwäche, ja, wo er die menschlichen Hintergründe einer literarischen Geste erkennt, sah ich mich selber so grell beleuchtet, so klar in meiner unglaublichen Verlogenheit, in meiner Eitelkeit, in meiner gedanklichen Nichtigkeit und meinem geistigen Hochmut, so unvergeßlich klar. Es ist schwer, einen echten Freund zu haben, wenn man klein ist und seiner bedarf; wenn man klein ist und ihm nicht gewachsen.«77