Читать книгу Zorn und Freundschaft. Max Frisch 1911-1991 онлайн

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Es wäre falsch, dem jungen Frisch besondere Realitätsblindheit vorzuhalten. Beinahe alle deutschen Intellektuellen hielten noch Mitte der dreißiger Jahre die Naziliteratur für zu dumm, um ernsthaft Schaden anrichten zu können. Auch in Berlin war es ein Buchhändler, der über Deutschlands Geisteszustand Beruhigendes zu berichten wußte. Das »stille Buch« sei wieder gefragt, man suche wieder »die Gedanken eines umfassenderen, höheren und ewigeren Geistes«.102 (Der Komparativ ›ewiger‹ ist wohl eine unbeabsichtigte Ironie.) Als leuchtendes Beispiel für dieses »stille« Buch pries Frisch Hans Carossas Kriegstagebuch aus dem Ersten Weltkrieg, das Rumänische Tagebuch: »Da ist diese menschliche Größe, die sich in einer flammenden und blutigen Welt, wo alles aus den Fugen fällt, zum Glauben an den Sinn durchringt; da ist diese weite Kraft, daß einer neben dem Einschlag der Geschosse noch die blühende Blume sieht; da ist die erlösende Geduld, die nicht ins Fuchteln und ins Verzweifeln stürzt, sondern das gottgesetzte Schicksal still und männlich-demütig erfüllt; da ist ein dichterischer Kristall, wie er nur werden konnte unter dem ungeheuren Druck eines Weltschicksals.«103 Gottgesetztes Schicksal und männlich-demütige Erfüllung, Geschoß und Blume, Weltenschicksal und dichterischer Kristall – Frisch geriet hier sprachlich in gefährliches Fahrwasser.

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