Читать книгу Brief an meinen Vater онлайн

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Den Tag habe ich damit verbracht, das Buch zu lesen, das Martin mir am Abend zuvor geschenkt hat, ein dicker Band auf Dünndruckpapier, die gesammelten Artikel eines Autors, der nur über andere geschrieben hat, nie eine eigene Geschichte, kein eigenes Gedicht. Genügen Kommentare zur Arbeit anderer, um dem eigenen Leben einen Sinn zu geben? Muss man ein Werk schaffen? Mutter pflegte zu sagen: «Ich habe vier Kinder großgezogen, das ist eine Arbeit, und ich war die Ehefrau eines Pfarrers, das ist ein eigener Beruf.» Ihre Aquarelle kamen noch hinzu. Im Dorf nannten die Gemeindemitglieder sie «Madame pasteur» in Anlehnung an die deutsche Form «Frau Pfarrer», so wie sie «Ma­­dame docteur», Frau Doktor, zur Arztgattin sagten.

In letzter Zeit habe ich deine Frau einmal pro Woche besucht. Jedes Mal hat sie mich gebeten, ihr etwas vorzulesen von dem, was ich gerade schreibe. Und jetzt, da sie auf die tödliche Arznei wartet, sagt sie, sie höre sich die Aufnahme meines letzten Ro­­mans an, die der Blindenverband ihr besorgt hat. Das ist mir lieber. Es würde mir schwerfallen, ihr vorzulesen, bei der kleinsten Gefühlsregung versagt mir die Stimme.

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