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Heute Abend traf mich deine Schwiegertochter, die Geigerin, die von einer viertägigen Konzertreise zurückkehrte, in einer seltsamen Verfassung an, vielleicht hat sie meine miserable Laune nicht verstanden. Meine Nerven lagen blank. Nach ein, zwei Gläsern Clairette de Die wurde es besser.

Abendessen mit Martin und seiner Freundin. Als ich ihnen von Mutters Entscheidung erzähle, kommen sie nicht ganz mit. Bei ihnen in Frankreich ist Freitod nicht erlaubt.

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Ich versuche, dir die Dinge so unverblümt wie möglich zu sagen, mich an die Fakten zu halten. Du, mein Vater, Pfarrer, Sohn aus einer wohlhabenden Genfer Calvinistenfamilie. Mutter, eine Zürcherin, die dem Leben entschlossen begegnete und jetzt dem Tod. Und wir, eure Kinder, in einem Dorf an der Sprachgrenze, wir standen hinter euch, in eurem Schutz, nun stehen wir bald vorne, jeder damit be­­schäftigt, sich seine eigene mehr oder weniger heitere Antwort zu überlegen.

Ich denke zurück an deinen Tagesablauf, an das tägliche Geschäft deiner Berufung. Erstens, sehr wichtig für uns Kinder: Du hast die meiste Zeit zu Hause gearbeitet. Du hast Gemeindemitglieder empfangen, ihnen zugehört, mit ihnen Probleme besprochen, die sie nur dir anvertrauten, dich für eine Anstellung eingesetzt, Briefe geschrieben. Als Kind war mir das ein Rätsel. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, was in deinem Arbeitszimmer vor sich ging, wo wir dich nicht stören durften, «wenn Vater jemanden empfängt».

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