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Im Krieg warst du zunächst Pfarrer in der Haute-Savoie, darauf müsste man noch einmal zurückkommen. Dann wurdest du in eine jurassische Uhrmachergemeinde gewählt. Dort bin ich mit zwei Schwestern und einem Bruder aufgewachsen, ich war der Älteste. Wenn ich in der Schule nach dem Beruf des Vaters gefragt wurde, sagte ich, du hättest keinen, da du keinen Beruf hattest, sondern eine Berufung. Dieser Unterschied war dir wichtig, du übtest keine Profession aus, sondern erfülltest eine Aufgabe.
Wir wohnten also nicht in einer Wohnung oder einem beliebigen Haus, sondern in dem Pfarrhaus des Dorfes Saint-Imier. Und solltest du eines Tages die Gemeinde wechseln, würden wir in ein anderes Pfarrhaus ziehen. Im Kanton Bern sind diese Häuser schöne Residenzen in der Dorfmitte, von einem Garten umgeben. Auch einen Dachboden gab es, einen großen Keller, einen Besuchersalon, ein Zimmer für das Dienstmädchen aus der Deutschschweiz, das sich um die Kinder kümmerte. Und dein Arbeitszimmer mit dem großen, hölzernen Pult, das du dir selbst gebaut hast und an dem ich dir jetzt schreibe. Ich hänge sehr daran wegen des ganz speziellen Knarrens der Schubladen, als Kind lauschte ich hinter der Tür darauf, um zu hören, ob du arbeitetest. An diesem Schreibtisch hast du jeden Sonntag gegen vier Uhr morgens auf deiner Underwood-Schreibmaschine die Predigt getippt, die du um neun Uhr fünfundvierzig halten würdest, nach dem Verstummen der Glocken. Du würdest deine Gemeinde bitten, sich darauf vorzubereiten, im Frieden des Herrn zu sterben.