Читать книгу Brief an meinen Vater онлайн

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Ich schreibe dir nicht, um mit dir abzurechnen, sondern weil ich verstehen möchte, was es heißt, als Sohn eines Pfarrers geboren zu werden, und was ich dir schulde. Wenn wir über Religion sprachen, übrigens ziemlich selten, lautete dein Hauptargument gegenüber einem Atheisten oder Agnostiker wie mir: «Ja, aber was ist mit dem Sterben?» Du hast be­­­hauptet, ein Pfarrer könne bei vielen Dingen Ab­­striche machen, nicht aber beim Tod. Dein Calvinismus war in erster Linie eine Antwort auf die Frage nach unserem Los als Sterbliche. Eine wichtige Frage. Zu der ich mir gemeinsam mit dir Gedanken mache, während ich mich auf das angekündigte Ende deiner Frau vorbereite. Ohne zu große Senti­mentalität.

Dienstag, den 5. Juli

Wie üblich treffe ich mittags mit dem Zug aus Genf bei ihr ein. «Ihre Mutter möchte nicht aufstehen», erklärt mir die Pflegerin, «sie hat mich gebeten, ihren Arzt anzurufen, er kommt gleich vorbei.» Mutter liegt im Bett, die Stimme schwach, als sei sie krank. In eurem Schlafzimmer liegt sie immer noch rechts neben deinem Bett, über das eine Decke gebreitet ist, aber ohne Leintuch. Meine Tränen fließen stumm, damit sie nichts merkt.

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