Читать книгу "Euch zeig ich's!". 15 Zürcherinnen erzählen онлайн

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Am 8. Mai 1945 in aller Frühe trifft sich Ruth Angst mit ihren Schulkameraden der 3. Sekundarschulklasse im Wald oben, um Maikäfer einzusammeln. Sie breiten Tücher unter den jungen Buchen aus. Wenn die Käfer von der Morgenkälte noch starr sind, kann man sie von den Bäumen schütteln wie Obst. Zwei Bücki zu je 75 Liter füllen sie, binden einen Sack darüber, damit die Käfer nicht entweichen, schütten sie beim Bad-Wirt ins Güllenloch und erhalten dafür von der Gemeinde 11 Franken für die Klassenkasse. Als sie zum Schulhaus kommen, ist der Platz mit Hortensien geschmückt. Die in Wil einquartierten Innerschweizer Soldaten stehen herum und scheinen auf etwas zu warten. Mit müden Köpfen und Beinen stehen die Kinder an Fritschi-Schreiners Hag und warten auch. Als eine Fanfare erschallt, werden die Soldaten auf dem Platz ganz still. Und nun geschieht Befremdliches. Männer in gestickten Röcken kommen aus dem Schulhaus, kleine rauchende Pfännchen schwingend, fromme Gesänge werden angestimmt, die Männer bekreuzigen sich, knien nieder. Die Kinder in ihrer Müdigkeit fangen an zu kichern. «Bei uns war eben niemand katholisch, wir hatten noch nie eine Messe erlebt.» Danach gehen sie ins Schulzimmer hinauf, um beim Lehrer das Maikäfergeld abzugeben. Da beginnen die Kirchenglocken zu läuten. «Es ist Friede jetzt, ihr habt heute frei», sagt der Lehrer. «Als ich heimkomme, sitzt der Grossvater am Radio. Er hat Tränen in den Augen.»

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