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Der hat es geschafft über die Grenze, andere nicht. Vom Polenlager erfährt Ruth Angst später Schauriges. Ihre Familie besitzt Land ennet der Grenze im nahen Dettighofen. In den ersten Kriegsjahren ist die Grenze hermetisch geschlossen. Aber später dürfen die Bauern wieder hinüberfahren, um ihr Land zu bewirtschaften. Da zeigen deutsche Nachbarn hinüber zur grossen Linde am Waldrand: Dort hängen vier Polen. Sie wollten in die Schweiz fliehen und wurden erwischt.

Der Krieg ist nahe, sehr nahe. An einem Nachmittag im Herbst ist die Familie am Kartoffellesen im Hard, dem Gebiet südlich der Bahnlinie, aber nördlich des Rheins. Manchmal schaut Ruth Angst den Güterzügen nach, die von Italien nach Deutschland rollen oder umgekehrt. Da wird sie von einem amerikanischen Fliegergeschwader aufgeschreckt – «den Ton werde ich nie vergessen!» –, das herabsticht und einen langsam nordwärts tuckernden Güterzug beschiesst, immer und immer wieder. Der Schrecken ist gross. Als es wieder ruhig ist, siegt die Neugier. Aber die Heerespolizei ist schon zur Stelle und weist die Schaulustigen weg. Später spricht sich herum, in den Fässliwagen befinde sich italienischer Rotwein. Wer ein Velo hat, fährt zum Schauplatz. Die Tankwagen weisen Schusslöcher auf, aus denen der rote Saft rinnt. Den lassen sich die Männer nicht entgehen, stellen die mitgebrachten Eimer unter. Der italienische Wein ist süsser als das damals noch ungepflegte Eigengewächs. Als der Vater spät an jenem Abend nach dem Vieh schauen will, fällt er die Treppe hinunter. Sein Jammern lässt die Mutter ungerührt. «Geschieht ihm recht», brummt sie.

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