Читать книгу Die illegale Pfarrerin. Das Leben von Greti Caprez-Roffler 1906 - 1994 онлайн

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Tagebuch, 4. April 1926 (Ostern)

Obwohl ich in dem Augenblick, da du dich niederbeugtest, von heissester Angst erfüllt war, du solltest mich nicht gleich auf die Lippen küssen, und obwohl ich dich nachher hasste und mit gar bittern, bösen Gedanken neben dir schritt, war ich in diesem ­Augenblick Dein und bin jetzt noch Dein.

Den ersten Kuss mit Gian auf der Halbinsel Au erlebte sie ganz anders.70 Schon die Kulisse – der Zürichsee – war ganz nach Gretis Geschmack. Nach den Vorlesungen mietete sie ab und zu ein Boot und ruderte in die Dämmerung hinaus, manchmal zusammen mit Gian.71 Am Maibummel der Ingenieure waren die beiden in ihrem Element und holten beim Ruderwettbewerb der Paare den ersten Platz. Nach dem Essen im Landgasthof auf der Au tanzten sie in die Nacht hinein. Um zwei Uhr nachts, als die Musik aufhörte zu spielen und die jungen Männer und Frauen paarweise den Saal verliessen, verschwanden auch Gian und Greti Hand in Hand in der Dunkelheit des Wäldchens am See.72 Am Landungssteg fanden sie eine Bank unter dem ausladenden Blätterdach einer Kastanie, die sie vor dem aufkommenden Regen schützte. Wie schon bei Ernst war Greti hin- und hergerissen zwischen ihrer Lust und dem, was sie zu wollen hatte. Doch nun ergriff sie selber die Initiative. Sie nahm Gian in ihre Arme und liebkoste sein Gesicht. Als sie sich dann küssten, gestand er ihr, dass dies sein erster Kuss sei, er aber schon ahne, dass sie keine Philisterin, keine Spiessbürgerin sei.73

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