Читать книгу Mich hat niemand gefragt. Die Lebensgeschichte der Gertrud Mosimann онлайн

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Ich sitze auf der Schaukel und bekomme dünnen, weissen Brei gelöffelt, darin schwimmen dunkle Flecken. Ich versuche sie mit meinen Fingern herauszuklauben, sie schmecken am besten, es sind Weinbeeren. Es ist schwierig, sie sind schlüpfrig wie Fischchen.

Das ist eine meiner frühesten Erinnerungen. Ich war damals im «Pilgerbrunnen» und etwa drei Jahre alt. Dass sich viele meiner Erinnerungs«bilder» mehr am Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinn orientieren als am Sehen, liegt nicht nur an der Art kleiner Kinder: Ich sah schon damals fast nichts.

Einmal haben sie mich putzig zurechtgemacht mit Haarschleifen und einem niedlichen Röckchen. Ich stehe auf der Treppenstufe und kann mich nirgends festhalten. Alle wollen, dass ich lache, und der Mann tut so aufgeregt und schwatzt immerzu von einem Vögelein. Aber ich sehe kein Vögelein, ich sehe nicht einmal den Mann. Ich mag nicht lachen, ich habe Angst vor dem Mann, Angst vor dem Vögelein, Angst, ich könnte die Treppe hinunterfallen. Sie sollen nicht so lachen und ein Geschrei machen! Schliesslich hebt mich die Schwester hoch. Sie zieht mir das schöne Kleidchen aus, es gehört nicht mir, ich habe es nur für die Fotografie ausgeliehen bekommen.

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