Читать книгу Das Gesetz des Wassers. Ein Tanner-Kriminalroman онлайн
126 страница из 162
In der ersten Zeit hatte Tanner allerdings keinen Blick für diese Schönheit. Der Schmerz um das Schicksal seiner Geliebten machte ihn blind für solche Äußerlichkeiten. Er hatte sich für die Wohnung entschieden, weil er sofort den Geruch dieses Hauses mochte. Ein Schritt ins Haus hinein, ein Atemzug … und er wusste, dass er hier wohnen wollte. Tanner fehlen jeweils die Worte, wenn er jemandem von diesem Geruch erzählen will. Auch jetzt, da er mit Martha auf dem Weg zu seinem neuen Zuhause ist.
Martha, du wirst es ja gleich selber riechen. Das Haus ist halt aus richtigem Stein gebaut, dazu viel altes Holz und komplett bewachsen mit diesen wunderschönen Glyzinien.
Martha nickt nur leicht mit dem Kopf, nun ihrerseits verwundert über den ununterbrochenen Erzählfluss von Tanner. Sie interessiert sich zwar auch für alte Häuser, aber Tanner spricht die ganze Zeit über dieses Haus, als ob er über eine Geliebte spräche.
Andererseits weiß sie natürlich, dass sie ihn mit dem Entschluss, mit ihm zu fahren, nervös gemacht hat. Eigentlich verstand sie selber im Nachhinein ihre spontane Entscheidung kaum noch, aber nachdem ihr Chef so lange am Telefon genervt und sie endlich einmal den Mut gefunden hatte, ihm ungeschminkt die Meinung zu sagen, vor allem über seine plumpen Annäherungsversuche, war es ihr, als ob ein unerträgliches Gewicht von ihr abgefallen wäre. Seit Monaten versucht Stettler, sie in sein Bett zu kriegen. Dabei mochte sie ihn anfänglich sehr gerne. Er ist ungeheuer intelligent, wortgewandt und witzig und von einer geradezu barocken Lebens- und Sinnenfreude. Aber seit er sich offenkundig in den Kopf gesetzt hat, sie in die lange Liste seiner Eroberungen einzureihen, findet sie ihn von Tag zu Tag widerlicher. Und das Ganze dauert nun schon ewige Monate. Zugegeben, am Anfang fühlte sie sich von seinen unverblümten Avancen geschmeichelt, immerhin ist er der große Boss der Zeitung, aber diese Zeit ist längst vorbei. Mittlerweile fühlt sie sich sogar bei ihrer Arbeit behindert und überlegt sich ernsthaft, ob sie nicht eine neue Stelle suchen soll.