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Ach ja. Ich kann nur immer wieder mein Köpfchen schütteln über das Verhältnis unsrer regierenden Herren zu den verfassungsmässig garantierten Freiheiten, etwa zur Versammlungsfreiheit. Die sogenannten Freisinnigen dieses Kantons St. Gallen etwa scheinen vergessen zu haben, wie der Kanton entstanden ist, nämlich durch die Freiheit, welche sich die grossen Volksversammlungen am Ende des ancien régime herausgenommen haben, unter Anführung des unvergesslichen Postboten Kuenzle, als dem Fürstabt von St. Gallen eine Art von Verfassung abgetrotzt worden ist und die Abgaben verweigert wurden mit dem glorreichen Schlachtruf «Zahl nünt, Du bist nünt scholdig». Diese Volksversammlungen waren illegal, und mancher sagte damals: «Da taar me nöd.» Das geschah, bevor die Soldaten der französischen Republik die bürgerlichen Freiheiten importierten, und geschah zufällig auf dem Territorium der Gemeinde Gossau, wo kürzlich andere Volksversammlungen die Freiheit der Natur von einem Waffenplatz reklamierten. Diese vernünftig und demokratisch fühlenden Leute wurden bekanntlich vertrieben, der lächerliche überflüssige Waffenplatz wird uns beschert, und die Parlamentarier, welche gemeinsame Sache mit der Vernunft machten, sollen juristisch belangt werden. Da war Fürstabt Beda Angehrn, der sich immerhin auf sein Gottesgnadentum berufen konnte, denn doch aufgeklärter und fast schon demokratisch, er gab der Volksbewegung nach und reduzierte seine weltliche Herrschaft auf ein Minimum. Er hat durch seine kluge Politik den Bürgerkrieg verhindert, besass jenes Format, das Hans Magnus Enzensberger den «Helden des Rückzugs» bescheinigte, sah nämlich, dass es absolutistisch nicht weiterging und die untern Wünsche mit Gewalt nicht auszurotten waren. Dafür gebührt ihm eigentlich in den Schullesebüchern ein mindestens so ehrendes Andenken wie dem offiziellen Kantonsgründer Müller-Friedberg.

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