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(Das Gespräch fand statt in der Blochschen Wohnung in Tübingen zur Feier des 90. Geburtstages von Ernst Bloch, im Sommer 1975.)

Überwachen & Bestrafen (I)

Es ist immer wieder zum Staunen, wie wenig die brillanten, penetranten, umstürzlerischen und genussreichen Schriften des berühmten Historikers* * Foucault möchte, wie er mir in einem Gespräch 1971 versicherte (TAM Nr. 12/1972), ausdrücklich nicht als Philosoph gelten, obwohl er in Frankreich meist als solcher betrachtet wird. Auf die Frage, worin die «Arbeit der Philosophen» bestehe, sagte er: «Ich glaube, dass die Philosophen nicht arbeiten» und «Die Philosophie ist eigentlich schon abgeschafft, sie ist nur noch eine kleine, vage Universitätsdisziplin, wo die Leute von der Totalität der Entität sprechen, von ‹écriture›, von der ‹materialité du signifiant› und so ähnlich.» Michel Foucault im deutschen Sprachraum durchgedrungen sind. Hängt's am Französischen, dessen Kenntnis mehr und mehr vom Englischen verdrängt wird? Hängt's an den deutschen Übersetzungen, die sehr wenig von Foucaults «Lust am Text» verstrahlen?** Da hat mir kürzlich ein bekannter Psychiater, den die Foucaultschen Untersuchungen über die Geschichte des Wahnsinns nicht kaltlassen dürften, kopfschüttelnd gesagt: «Foucault? Nie gehört. Kenne die Pariser Szene nicht.» Und ein notorischer Linguist, voll mit Roman Jakobson beschäftigt, heller Kopf, aber ziemlich auf den angelsächsischen Raum fixiert, hatte auch noch keine Zeile des französischen Professors und Agitators zu sich genommen. ** Foucaults kartesianische und zugleich barocke Sprache ist kaum übersetzbar, schon gar nicht von Übersetzern, die im Akkordsystem und schlecht bezahlt sich abrackern müssen. Die Irreführung des deutschen Lesers beginnt schon bei den Titeln. So wurde «Histoire de la Folie» im Suhrkamp Verlag publiziert als «Wahnsinn und Gesellschaft» – ein Titel, der nach Soziologie und nicht mehr nach Geschichte riecht wie das französische Original.Und ach, sogar ein Historiker, etabliert, renommiert und installiert auf einem Lehrstuhl für Geschichte an der Universität Zürich, ein Mann in den besten Forschungsjahren und scharf auf alle erklecklichen Neuerscheinungen seiner Domäne, hatte den Namen des grossen Kollegen F. weder in sein Bewusstsein noch in seine Kartei aufgenommen.

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