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Ist die Mutter an allem schuld, ein bisschen auch der Vater? Wenn man Althusser glaubt: ja; wenn man Moulier-Boutang liest: nur bedingt. Althusser über seine Mutter (Kindheitserinnerungen): «Wir fuhren damals oft in jene Gegend namens Fougères, (…) und der Wagen wurde von einer fetten, ruhig dahintrottenden Stute gezogen. Ich sass neben dem Kutscher und sah, wie der dicke Arsch der Stute sich bewegte. In der Mitte hatte es einen schönen feuchten Spalt, der mich interessierte, ich wusste damals nicht, weshalb. Aber meine Mutter vermutete es an meiner Stelle, denn sie hiess mich hinten Platz nehmen, von wo aus ich die Stute nicht mehr sehen konnte, aber am Strassenrand sah man jetzt Hähne, welche die Hühner bestiegen. Ich zeigte sie meiner Mutter lachend, es war komisch, aber sie fand das nicht lustig und schimpfte: Lach doch nicht vor Monsieur Faucheux, er wird denken, dass du ein Ignorant bist. Wovon? Ich habe es nie erfahren.»
Die Mutter hatte bekanntlich einem Louis Althusser die Ehe versprochen oder war diesem von ihren/seinen Eltern versprochen worden. Louis stürzte im Ersten Weltkrieg mit seinem Flieger über Verdun ab, worauf sie von dessen älterem Bruder geheiratet wurde. Darauf idealisierte die Mutter den Verstorbenen, welchen sie fleischlich nie kennengelernt hatte, perhorreszierte ihren wirklichen Mann, weil er dem Idealbild nie genügen konnte, nannte ihren Sohn LOUIS und übertrug ihm die Rolle des toten Verlobten. Der Vater war Bankangestellter, dann Direktor, senkrecht, aber zu Hause schweigsam, erst im Freundeskreis auftauend. Wenig Kultur zu Hause; Althusser liebäugelt offensichtlich mit dem Kindheitsmilieu von Sartre, wie es in «Les mots» erscheint: riesige Bibliothek und kein Vater. Die späteren Schwierigkeiten mit den Frauen, seine Angst vor der Sexualität, schliesslich die Ermordung seiner Frau, sieht er, explizit oder implizit, als Folge des mütterlichen Liebesvakuums. Nachdem er z.B. das erste Mal mit seiner Zukünftigen geschlafen hatte, sei er sofort krank geworden, der beste Psychiater auf dem Platz Paris habe eine «dementia praecox» diagnostiziert. Die Therapie: «Damals wurden die Elektroschocks ohne Narkose oder Curare verabreicht. Wir waren alle in einem grossen hellen Saal versammelt, Bett an Bett, und der Vorsteher von untersetzter Gestalt und schnauzbärtig, weshalb die Kranken ihn Stalin nannten, bugsierte seinen elektrischen Kasten von einem Kunden zum andern und setzte allen Konsumenten sukzessive den Helm auf. Man sah, wie der Nachbar sich reglementär in einer epileptischen Krise aufbäumte, man konnte sich vorbereiten und das berühmte zerkaute Tuch zwischen die Zähne nehmen, welches mit der Zeit nach Strom schmeckte. Es war ein schönes kollektives Schauspiel und sehr erhebend.»