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Ähnlich gebaut war die berühmte landwirtschaftliche Schule (Besserungsanstalt) von Mettray, wo «kräftige und tüchtige» Landwirte ausgebildet wurden. Die Vorgesetzten in dieser Anstalt waren ein bisschen Richter, Professoren, Vorarbeiter, Unteroffiziere, Eltern in einer Person. Es waren Techniker des Betragens, Ingenieure der Seele, Orthopädisten der Individualität. «Beim Eintritt in die Anstalt unterwirft man den Zögling einer Art von Verhör, um über sein Herkommen, das familiäre Milieu, sein Vergehen, das ihn in die Anstalt gebracht hat, Klarheit zu gewinnen. Diese Auskünfte werden auf einer Tafel notiert, wo man sukzessive alles aufschreibt, was das Individuum betrifft, wie er sich in der Anstalt aufführt.» Die Anstalt erzielte befriedigende Resultate: Die Zöglinge begannen ihre (unsichtbaren) Ketten zu lieben, und einer, der im Sterben lag, soll kurz vor dem letzten Schnauf gesagt haben: «Wie schade, dass ich die Anstalt so früh verlassen muss.» Foucault nennt das den «Tod des ersten heiligen Sträflings». 1843, als «das revolutionäre Fieber die Einbildungskraft überall leidenschaftlich erregte, als sogar die Anstalten von Angers, von La Flèche, von Alfort sich auflehnten, waren die Zöglinge von Mettray noch ruhiger als in normalen Zeiten». Der Apparat hatte sie vollkommen in den Griff bekommen, man kannte ihre Seelen, erforschte ihre Regungen und konnte dank diesem Macht-Wissen («pouvoir-savoir») vorbeugen. Foucault ist eben jetzt damit beschäftigt, das «pouvoir-savoir» der psychiatrischen Expertisen und ihre Bedeutung im Strafprozess zu untersuchen, er wird bald entsprechende Dossiers veröffentlichen, vielleicht werde ich ihm die Expertise des Psychiaters Dr. Hans-Oscar Pfister zeigen, bis vor kurzem Stadtarzt und Aushebungsarzt von Zürich, der den Landesverräter Ernst S. im Gefängnis untersucht hat, welche Untersuchung mit der Zerknirschung und dem Todeswunsch des Delinquenten S. endete.