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Vielleicht, wenn die Korrespondenten wirklich mit dem Volk korrespondierten und ins Leben tauchten, würde ihnen der Zusammenhang zwischen Alltag und Agitation aufgehen. Sie würden bemerken, dass Millionen von Franzosen nur die Wahl haben zwischen Lethargie und Revolte, zwischen Spiessbürgerlichkeit und Barrikade und dass der radikale Zynismus der Besitzenden die radikale Wut der Unterdrückten ständig neu produziert.

Aber ach, von all dem werden die Korrespondenten unserer Tageszeitungen nichts schreiben. Es wird auch nicht von ihnen verlangt. Die Redaktionen wollen Artikel über den letzten Brandt-Besuch, über die Pressekonferenz des Präsidenten – welche der Korrespondent am Fernsehen verfolgt. Warum sollten Zeitungen, die einen Helmut Kohl im Inlandteil mit Samthandschuhen anfassen, im Ausland einen Bericht über die wahre Natur des Giscard d'Estaing abdrucken, das heisst über die Natur seines Herrschaftssystems? Oder etwa eine Aufklärung über die Machenschaften der «Compagnie Général Electrique (CGE)» oder der «Banque de Paris et des Pays-Bas», da sie ja auch über die Deutsche Bank oder Siemens nicht allgemeinverständlich orientieren, sondern nur im Latein ihrer undeutlich murmelnden Volkswirte? Ausserdem fühlen sich die Korrespondenten in Frankreich zu Gast, allzu deutlich darf man sich gegenüber dem Gastgeber nicht räuspern (sind sie bei der Regierung oder beim Volk zu Gast?). Und schliesslich, so jammern unsere Korrespondenten, haben unsere Artikel ja doch keine Konsequenzen; in Frankreich werden sie nicht gelesen und in der Heimat fast nicht (kein Wunder, bei dem Stil).

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