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Das Hitler-Tagebuch-Schlamassel ist von diesem Organisationsmodell des STERN nicht zu trennen. Eine halbwegs demokratisch funktionierende Journalistengruppe wäre trotz allen Abschottungsmechanismen von Chefredaktion und Verlag den kriminellen Tagebuch-Veröffentlichungsplänen beizeiten auf die Schliche gekommen und nicht erst nach der Enttarnung dieser doofsten aller Fälschungen. Aber Rebellion, das heisst demokratische Debatte, war der Redaktion von ihren Chefen mit dem eisernen Besen der Chefarroganz abgewöhnt worden, als einfacher Schweizer möchte ich beinahe sagen: mit deutscher Grosshans-Arroganz. Und erst im Mai 1983 wurde dann doch rebelliert, zum erstenmal seit dem Hinauswurf Bissingers (1978), und es durfte eine Woche lang gegen zwei ehemalige Chefen, Koch & Schmidt, die nicht mehr regierten, und gegen zwei zukünftige, Scholl-Latour & Gross, die noch nicht regierten, gemotzt werden.

Von Toten nur Gutes, und auf Ambulanzen soll man nicht schiessen; ich weiss.

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Ist es hämisch, sich über die Methoden dieser Chefredaktion jetzt, nachdem Schmidt und Koch abgesetzt sind, zu äussern? Schwieriger war es damals während der sogenannten Heftkritik an einem Freitag im letzten November (immer am Freitag ist Heftkritik beim STERN, das neu erschienene Heft wird von einem Mitglied der Redaktion oder von einem speziell eingeflogenen Prominenten, Lothar Späth z.B. oder Intendant Stolte vom zdf, kritisiert). An jenem Freitag war ich mit der Heftkritik betraut und gedachte, nicht aus heroischen Motiven, sondern, weil ich aus meinem Magen keine Geschwürgrube machen wollte, als einfacher Schweizer meine Eindrücke mitzuteilen (Heidi bei Fam. Sesemann). Im betreffenden Heft war u.a. ein Interview mit dem spanischen Ministerpräsidenten, an dem Koch, der Redakteur Bindernagel, Fotograf Lebeck, eine Dolmetscherin und ich mitgewirkt hatten. Ich erzählte der sehr zahlreich erschienenen Redaktion, etwa 100 Leute, Koch & Schmidt inklusive, dass wir mit einem Lear-Jet, Kosten 18'000 Mark, nach Madrid geflogen waren (Unruhe bei den weniger gut bezahlten, zum Sparen angehaltenen Kollegen). Das Interview war von Willy, wie Koch sagte, ANGELEIERT worden; ist natürlich Willy Brandt damit gemeint. Mit González hätte man spanisch oder französisch reden können, Koch konnte weder noch, darum eine teure Dolmetscherin. Der Lear-Jet war auch unabdingbar; Chefen haben bei solchen Reisen ein Anrecht darauf. Um 7 Uhr waren wir auf dem Flughafen verabredet, Koch am Vorabend: «Bitte pünktlich.» Koch war dann um 7.30 Uhr zur Stelle, die andern pünktlich. Wegen dieser Verspätung und weil wir viel Gegenwind hatten und weil das falsche Lear-Jet-Modell gechartert worden war, verpassten wir den Termin in Madrid um eine halbe Stunde. Die Sekretärin von González: «Zu spät, nichts mehr zu machen.» Koch zu Bindernagel: «Erklären Sie ihr, dass wir eigens einen Lear-Jet gechartert haben. Und rufen Sie doch Willy nochmals an, er soll intervenieren.» Ein bisschen bedeppert gingen wir in die nächste Taverne, Koch zu Bindernagel: «Reservieren Sie doch im Restaurant XY einen Tisch für später, dort gibt es die besten Spanferkel.» Nachdem González, evtl. unter Druck von Willy, ein Einsehen hatte, konnte doch noch interviewt werden. Koch hatte, selber unvorbereitet, im Lear-Jet die Fragen studiert, welche Bindernagel und ich präpariert hatten. Koch zu Bindernagel: «Haben Sie was dagegen, wenn ich Ihre ersten vier Fragen stelle?» Bindernagel: «Nein.» Koch stellte, die Dolmetscherin dolmetschte: Ohne Dolmetscherin hätten wir zweimal soviel Zeit für das Gespräch gehabt. Die Spanferkel waren dann besser als das Interview.

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