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Wer zum STERN geht weiss, dass ihn keine Konfirmandenschule erwartet. Als Gillhausen mich anheuerte, war ich auf Einiges gefasst: Ellenbogenmanieren, rauhe Sitten, harte Konkurrenz im Haus. Aber totale Unterwürfigkeit? Kasernenhofton? Blinde Autoritätsgläubigkeit? Permanentes Austricksen der Kollegen? Kann sich die kühnste Phantasie nicht ausmalen. Hätte mir einer 1982 gesagt: Bald wird das Blatt gefälschte Hitler-Tagebücher publizieren, dann wäre er ausgelacht worden.

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«Durch alle Stockwerke des Redaktionsgebäudes war immer das Murren und Schimpfen über die Selbstherrlichkeit der Chefs zu hören, aber es hatte nicht mehr Bedeutung als die Raunzereien der Soldaten im Krieg – sie kämpfen doch –, und die STERN-Leute haben niemals eine Nummer ausfallen lassen – auch im Mai 1983 sind sie vor dieser Möglichkeit entsetzt zurückgeschreckt.» Da hat Kuby schon wieder recht; leider. Im November 1982, ich war zur Vorbereitung auf den Pariser Korrespondentenposten im Mutterhaus an der Alster eingeliefert worden, habe ich den STERN täglich so erlebt. Diese geballten Fäuste! (im Sack). Diese unbändigen Wütchen! (als Geschwür in der Magengrube). In jedem Betrieb wird gegen die Hierarchie gemotzt, aber soviel Hohn für die Chefen (in ihrer Abwesenheit) und soviel Strammstehen (in ihrer Anwesenheit) habe ich nirgendwo sonst erlebt. Respekt empfand man nur für Gillhausen. Und zugleich soviel Desinteresse für das Gesamtprodukt, für den STERN als Ganzes – «weil es jedem von ihnen letzten Endes Wurst ist, woraus die ‹Mischung› besteht, solange sein eigenes Produkt angemessen präsentiert wird» (Kuby). Niemand, auch keine von den engagierten Frauen, fühlt sich betupft oder gar mitverantwortlich, wenn wieder eine nackte Zwetschge aufs Titelblatt kommt (welche immer kommen, wenn die Auflage ein bisschen sinkt). «Da kann man nichts machen, wir haben da gar nichts zu bestimmen», hiess es jeweils, «das Titelbild wird allein von der Chefredaktion ausgewählt.» Niemand fühlte sich betroffen, wenn wieder einmal der Kollege X oder Y in der Redaktionskonferenz perfid zusammengestaucht wurde, von oben. Der STERN kam mir vor wie ein Haifischaquarium, wo jeder nach dem fettesten Brocken und jeder nach jedem schnappt und wo die Haifische sich in Sardinen verwandeln, sobald die obersten Chef-Haifische erscheinen. Über die unsägliche Bachmeier-Serie (eine Mörderin wurde glorifiziert, der STERN spielte Justiz, griff in ein schwebendes Verfahren ein) haben alle intelligenten Kollegen gestöhnt, aber auch da «konnte man nichts machen», man hatte eben der Bachmeier, so hiess es, 100'000 Mark hingeblättert für die Exklusivität ihrer Lebensbeichte, die sie dem Journalisten G. flüsterte (der sich selbst als «Edelfeder» bezeichnet). Überhaupt der Checkbuch-Journalismus: Man ist nicht einseitig, alle politischen Strömungen werden berücksichtigt, Carter, Hitler, Caroline von Monaco, russische Dissidenten. Carter hat für ein (sehr mittelmässiges) Interview, das der STERN mit dem pensionierten Präsidenten machte, 125'000 Mark gekriegt, das heisst, damit sicherte sich der STERN das Alleinabdrucksrecht von Carters Memoiren im deutschen Sprachraum: Auf welchen Abdruck der STERN sodann verzichtete, weil man ja schon ein Exklusivinterview hatte … Für alle andern deutschsprachigen Zeitungen waren die Memoiren damit blockiert. Man nennt das beim STERN: Den Markt leerkaufen. Ein anderer interner Fachausdruck heisst: WITWEN SCHÜTTELN. Damit ist jene Taktik gemeint, welche den Angehörigen von Katastrophen-Opfern, z.B. nach dem Massaker auf dem Oktoberfest in München, Fotos und Personalien der Opfer entlockt, wenn nötig mit Geld. Siehe auch den internen Fachausdruck: SÄRGE ÖFFNEN.

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