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Wenn man den STERN an dem misst, was er sein könnte, mit seinem grossen Potential an liberal-kämpferischen Köpfen (Jaenecke, Kromschröder, Fabian, Petschull, Liedtke, Almquist, Joedecke etc.), dann ist er eine schlechte Zeitschrift. Das Gesamtprodukt wird von den grossen Schreibtalenten nur wenig geprägt. Zu oft erdrückt das Bild den Text: Artikel als Anhängsel der Bilder («Lesen Sie weiter auf Seite 127»). Niemandem würde es einfallen, eine Bildreportage vorn im Heft anzufangen und irgendwo hinten weiterlaufen zu lassen – aber mit dem Text wird das immer wieder gemacht.
Wenn man den STERN aber an den andern deutschen Illustrierten misst, ist er natürlich eine hervorragende Erscheinung. (Die andern sind allerdings so fürchterlich, dass man nichts an ihnen messen sollte.) Kuby verschweigt das nicht, er hebt die Leistungen des Blattes immer wieder hervor: die Serie von Koch über den Rüstungswahnsinn (derselbe, jawohl, welcher «Rasierklingen an den Ellbogen hatte», wie DIE ZEIT geschrieben hat), die sehr anständige Berichterstattung über Baader-Meinhof, Rudi Dutschke, die Studentenbewegung – aber «der Riss geht durch die Person», schreibt Kuby, «derselbe Bissinger, der ein persönlicher und selbstverständlich auch ein politischer Freund Rudi Dutschkes wird – was der Millionenleserschaft des STERN durchaus nicht verborgen bleibt –, ist imstande, zu dem Börsen- und Wertpapierabenteurer Bernard Cornfeld zu fliegen» und diesen im Ton des «billigen, unkritischen Illustriertenjournalismus» zu beschreiben. Solche zerrissene Personen habe ich beim STERN nicht wenige getroffen, den grossen Gillhausen zum Beispiel, Foto-Chef und einziger Überlebender (unterdessen, 1985, auch schon nicht mehr) der ehemaligen Führungs-Troika (Schmidt-Koch-Gilhhausen), der letztes Jahr kreative Vorstellungen für den Pariser Korrespondentenjob entwickelte und mich damit angeheuert hat (über das sozialistische Frankreich müsse ausführlich und seriös im STERN berichtet werden, hiess es damals) – und der dann vor kurzem jene Schicki-Micki-Fotoreportage ins Blatt hievte, die mit den billigsten Mitteln der bildlichen Persiflage eine Pseudo-Bilanz des neuen Mitterrand-Regimes präsentierte; als Wurmfortsatz dazu ein kleiner Text von Katharina H., der auch im «Figaro» hätte erscheinen können: insgesamt eine unseriöse Angelegenheit, wie Alfred Grosser dem STERN-Büro Paris telefonisch mitteilte.