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Das tönt fast ein bisschen voltairianisch.

Er saugt die aggressive Kritik mit gierigen Ohren auf. Er wird an diesem Abend gern ein bisschen gepfitzt, das ist eine nette Abwechslung in seinem Herrendasein. Heute nacht oder nie. Der 3. absolute Herrscher über das BLICK-Grossraumbüro regiert ohne Zimmerlinde und Stöcklein, aber mit eiserner Hand. Er kann sich als einziger in seine persönliche Bürohöhle zurückziehen, sein Redaktorenvolk ist überblickbar und hat keine Schlupfwinkel. Dort hinten links sitzt Marta. Grüss Gott Marta. Weiter hinten sitzt der Sport. Herr Englund, der Vize, hat keine Kompetenzen, ausser diejenigen, den BLICK in Uebersaxens Abwesenheit genau so zu machen wie der Chef. Er wagt es nicht, mir das Grossraumbüro in Uebersaxens Abwesenheit zu zeigen. Englund ist ein Unterdrückter, aber ein Fleissiger. Sehr modisch seine Hosen. Er ist immer fröhlich.

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Enzensberger:

«BILD wird gelesen nicht obwohl, sondern weil es von nichts handelt, jeden Inhalt liquidiert, weder Vergangenheit noch Zukunft kennt, alle historischen, moralischen Kategorien zertrümmert, nicht obwohl, sondern weil es droht, quatscht, ängstigt, schweinigelt, hetzt, leeres Stroh drischt, geifert, tröstet, manipuliert, verklärt, lügt, blödelt, vernichtet. Gerade dieser unveränderliche, alltägliche Terror verschafft dem Leser den paradoxen Genuss, den er mit jedem Süchtigen teilt und der sich von der bewusst erlebten Erniedrigung, die mit ihm verbunden ist, gar nicht trennen lässt. Die Tatsache, dass BILD prinzipiell nicht datierbar ist, dass es sich selbst permanent wiederholt, führt nicht zur Langeweile, sondern zur Beruhigung. Bei seinem jahrzehntelangen Frühstück mit BILD wiegt sich der Leser in der Gewissheit, dass alles so weitergeht, dass nichts etwas macht oder, was auf dasselbe hinausläuft, dass das Nichts nichts macht.»

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