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Der Marquis de Sade, Bewohner der Bastille, hatte es auch nicht immer gemütlich in seinem Gefängnis, aber verglichen mit Ihnen, lieber Salman Rushdie, doch einfacher. Sein Ruf war eindeutig, nämlich schlecht, er war als Sittenstrolch und Strolchenliterat abgestempelt und musste nicht durch diese Wechselbäder gehen wie Sie, wurde nicht auseinandergerissen von den zentrifugalen Kräften zweier Kulturen, und im Irrenhaus von Charenton konnte er Theateraufführungen leiten, halböffentliche, und umbringen wollte man ihn dort nicht.
Voltaire, wenn wir schon von der Aufklärung reden, hat taktiert, geschummelt, gelogen und notfalls auch widerrufen, wenn die totalitäre katholische Kirche ihn am Schlafittchen hatte, und als die Diener des Herzogs von Rohan ihn verprügelten, ist er vorübergehend sogar brav geworden. Sein Theaterstück «Mahomet» (Mohammed), worin der Prophet als blutrünstiger Massenverführer geschildert wird, ist 1742 nach nur drei Aufführungen auf Betreiben eines Kardinals abgesetzt worden; erst 1751 kam es wieder auf die Bühne. Allerdings wurde das Stück nicht abgesetzt, weil die katholische Kirche das Andenken Mohammeds schützen wollte, sondern weil der Kardinal Fleury gemerkt hatte, dass der Dichter einen andern Religionsstifter verhöhnte. Und weil Voltaire gern ein bisschen leben wollte und weil er auf die ungebrochene Kraft seines Stücks vertraute, hat er es 9 Jahre lang auf Eis legen können. Brecht hat einmal gesagt, er habe zwar ein Rückgrat, aber nicht zum Zerbrechen.