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Der deutsche Aufklärer Schubart, welcher so schrieb, dass es dem Herzog von Württemberg nicht gefiel, wurde 1777 auf dem Hohenasperg eingesperrt, zuerst 377 Tage in strenger Isolationshaft gehalten und kam dann immerhin, nach geistlichen Übungen, also nach ein paar Lippenbekenntnissen, in eine mildere Haft; 1785 durfte er sogar Frau und Kinder empfangen, und zwei Jahre später wurde er gar entlassen. Auch er hat ein bisschen lügen müssen. Büchner konnte wenigstens aus Hessen ins damals ziemlich aufgeschlossene Zürich fliehen und blieb dort vor Nachstellungen verschont.

Ihr Fall, lieber Salman Rushdie, der Sie sich nach Ansicht der Fundamentalisten an Mohammed und an der Heiligen Schrift des Islam vergriffen haben, ist viel schlimmer, nur noch vergleichbar mit den «Verbrannten Dichtern» der Nazi-Zeit, die ins europäische Ausland flohen und dort von den deutschen Armeen eingeholt wurden, oder vergleichbar mit den unter Stalin verfolgten Dichtern.

Auf den Filmemacher Scorsese, der vor einigen Jahren («The Last Temptation of Christ») diesen Jesus vorgeführt hat, der sich gern von einer Frau streicheln lässt, haben weder Papst noch Kardinäle ein Kopfgeld ausgesetzt; auch wurde Scorsese nicht in die Verliesse des Vatikans abgeschleppt, es gab nur beim Brand eines Kinos am Boulevard Saint-Michel, welches von katholischen Fundamentalisten angesteckt worden war, zwei Tote zu beklagen. Das sind Ausnahmeerscheinungen, und sie unterstehen dem Strafgesetzbuch. Über den Papst kann man hierzulande Reportagen schreiben, welche seinen Besuch in der Schweiz wahrheitsgetreu, also in seiner ganzen Lächerlichkeit, schildern, allerdings nur in einer kleinen Zeitung – ohne dass man sich auf der apostolischen Nuntiatur entschuldigen müsste oder sonstwie bestraft würde. Über die Bibel werden Witze gemacht, meist von Theologen, die sie als einzige noch lesen, und im übrigen wird sie als literarisches-kulturhistorisches Monument behandelt. Kirchen werden profaniert, zum Beispiel für die Abdankung eines Werbemoguls benützt, wobei der immerhin protestantisch sich nennende Pastor auf die Kanzel steigt und die rücksichtslose Geldscheffelei des Verblichenen in allen Tonarten preist. Sakral ist hier und überhaupt im Westen/Norden nichts mehr ausser dem Trieb zum Geld, Sankt Markt und das Wachstum. Darum wagt auch niemand die Beziehungen mit dem Iran aufs Spiel zu setzen, um einen Widerruf des gegen Sie ergangenen Todesurteils zu erzwingen.

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