Читать книгу Ein Bruder lebenslänglich. Vom Leben mit einem behinderten Geschwister онлайн

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Die zitierten Gutachten, Berichte, Zeitungsausschnitte, Broschüren, ­Briefe und E-Mails stammen aus dem Dossier, welches die Eltern von ihrem Sohn angelegt hatten und das später von der ältesten Schwester in ihrer ­Funktion als Beiständin weitergeführt worden ist.

Auf steiler Strasse traf ich jüngst ein Mädchen, ­

das seinen ­kleinen Bruder auf dem Rücken trug.

«O weh», sagte ich, «du armes Kind,

da trägst du aber eine schwere Last!»

Darauf sah mich das Mädchen

verwundert an und sprach: «Ich trage

keine Last, ich trage meinen Bruder.»

Unbekannter Autor

«Ich habe das nicht gesucht, nehme bloss

­meine ­Verantwortung als Schwester

wahr, und ich will es ­nochmals ­sagen:

Ich trug ­zuweilen schwer daran.»

Erica Brühlmann-Jecklin,

Brief an meinen Bruder Walter

Prolog

Diesmal ist es anders

Die Barockkirche ist nicht von feierlicher Orgelmusik erfüllt, sondern vorne im Chor bringen zwei volkstümlich gekleidete Akkordeonisten Leben in die heiligen Hallen. Auffällig die knallrot lackierten Fingernägel der klein gewachsenen Frau, welche sich von den lüpfigen Klängen mitreissen lässt. Sie zwängt sich durch die Bankreihen und schreitet im Rhythmus der Musik das Kirchenschiff ab, pausenlos auf und ab. Nebenan wirft eine Greisin ihre Puppe zum hundertsten Mal zu Boden. Diese wird von hilfreichen Händen immer wieder aufgehoben und ihr in den Schoss gelegt. Ein endloses Spiel.

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