Читать книгу Unter Schweizer Schutz. Die Rettungsaktion von Carl Lutz während des Zweiten Weltkriegs in Budapest - Zeitzeugen berichten онлайн
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Die Bewegung
Ein Handschlag, rasch, rasch etwas übergeben, «vergiss nicht, dass ich die Papiere brauche», oder, «vergiss nicht, mit dem und dem zu sprechen». Jede Minute konnte entscheidend sein für das Schicksal eines Menschen, und das Leben Tausender Menschen hing davon ab, was hinter unseren Türen geschah.
Ich musste unerschütterlich und entschlossen sein. Ich durfte nicht zögern und nicht wanken. Es war auch sehr wichtig, mit den Deutschen zu sprechen. Es war entscheidend, mit den Deutschen sprechen zu können, wenn sie die Identität prüften oder nach irgendwelchen Verbindungen fragten. Ich war derjenige, der zu ihnen ging, weil mein Deutsch gut war, und ich hatte Erfahrung im Umgang mit ihnen.
Man musste Selbstschutz entwickeln. Wenn man in den Augen der Deutschen einigermassen arisch und deutsch aussah, gut gekleidet war, konnte man sich einigermassen in Sicherheit wiegen. Ich hatte viele jüdische Freunde unter meinen Schulkameraden, Universitätskommilitonen, in der Familie und bei nahen Verwandten. Ich habe ihnen beigebracht, wie man auf der Strasse gehen musste, wenn einer von der Gestapo oder ein Pfeilkreuzler im Anmarsch war. Dieselbe Methode funktionierte auch 1945, als die Russen kamen. Wie vermeidet man, dass man verhaftet wird? Was sagt man, wenn man verhaftet wird? Die Juden hatten dieses Know-how nicht. Es fehlte ihnen die Angst; sie waren gute, zuverlässige Bürger Ungarns gewesen. Halb Budapest war mit Juden verheiratet. Ich meine, irgendwann hat es in Budapest eine Viertelmillion Juden gegeben, wissen Sie. Die Leute hatten deutsche oder jüdische Namen. Wenn man vor hundert Jahren ins Budapester Telefonbuch schaute, standen da lauter deutsche oder jüdische Namen. Und so hatten die Budapester Juden keine Verteidigungsstrategien entwickelt, aber genau das war damals nötig, um Mauthausen oder Bergen-Belsen zu entkommen.