Читать книгу Lochhansi oder Wie man böse Buben macht. Eine Kindheit aus der Innerschweiz онлайн
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Die Ehe meiner Eltern muss von Anfang an von Problemen belastet gewesen sein. Es war mein Vater, der viel später dann – es war während meiner Sekundarschulzeit – mit mir darüber sprach. Sei es, um seine Eskapaden zu rechtfertigen, war er doch wieder einmal in eine Vaterschaftsklage verwickelt, sei es, um mich vor den Klippen des Ehelebens zu warnen, über die Gefahren des Eros aufzuklären.
Ein schlechtes Omen war bereits der Start zur Hochzeitsreise. Am Morgen nach der Hochzeit wollten sie vor der Lungerer Kirche, umgeben von einigen Angehörigen und Freunden, zur Hochzeitsreise ins Tessin aufbrechen. Beide in Motorradanzügen, angetan mit Lederkappen und grossen Staubbrillen, winkten den versammelten Leuten zu. Dann startete Vater die schwere Maschine, Mutter sass hinter ihm auf dem Soziussitz, als er plötzlich anfuhr und das steile Strassenstück zum Brünigpass hinaufdonnerte, wobei seine Ehefrau vom Sattel fiel und unsanft auf die Strasse plumpste. Er bemerkte das Missgeschick erst im ersten Rank, kehrte um, und unter dem Gelächter der Umstehenden wurde dann zum zweiten Mal gestartet. Auch die Hochzeitsnacht muss in einem Desaster geendet haben, erschien doch anderntags die frischgebackene Ehefrau mit rotgeschwollenen, verweinten Augen am Frühstückstisch. Und als ihm dann seine Frau die Erfüllung ehelicher Freuden später ganz versagte, war er keineswegs bereit, sich in sein Josefsschicksal zu fügen, von Askese, Kasteiungen und frommem Wandel war er gar nicht angetan, im Gegenteil. Enthaltsamkeit entsprach seinem Temperament in keiner Weise. Es war auch nicht so, dass ihn nun Sinneslust zur Unmässigkeit oder zu Ausschweifungen getrieben hätte, nie sah ich ihn betrunken, nie unbeherrscht. Immer wieder brachte er ein kleines Präsent mit, wenn er von längeren Absenzen wieder einmal nach Hause kam, vom Berg oder aus der Stadt, ein Sträusschen Edelweiss, eine Schachtel Pralinen oder ein schönes Umhangtuch, einmal sogar eine Serie kunstvoll bestickter Taschentücher. Auf die Frage meiner Mutter, was sie denn nun damit anfangen solle, meinte er sarkastisch grinsend, es gebe dafür bei ihr wohl immer Bedarf, und sei es nur zum Trocknen ihrer Freudentränen, wenn er endlich wieder daheim sei.