Читать книгу Die Brille des Nissim Nachtgeist. Roman. Die Emigrantenpension Comi in Zürich 1921-1942 онлайн

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Die von Elisabeth fertig genähten Berufsmäntel wurden von Nissim Nachtgeist noch rasch überbügelt und wanderten dann wieder in den Koffer. Wenn Elisabeth abends in die Comi kam, hatte sie, als Bürgerin des Landes, immer schon einen Arbeitstag als Schneiderin hinter sich, doch setzte Nissim Nachtgeist sie immer unter leichten Druck, was das Arbeitstempo betraf. Wollte er dem Fabrikanten zeigen, dem er pünktliche Arbeit versprochen hat, dass auf einen Flüchtling Verlass war? Gerade weil er Schwarzarbeit leistete?

«Curt hilft auch vermögenden Studenten bei ihren Doktorarbeiten.»

«Mein Vater meinte es gut mit mir, als er mich Jura studieren liess.»

«Dabei wärst du doch lieber Schauspieler geworden!»

Nissim Nachtgeist war genauso alt wie ich. Olga sagte: «Er heisst gar nicht Nissim Nachtgeist, besteht aber auf diesen Namen. Er will nach Amerika auswandern und Deutschland nie wieder sehen. Er ist immer fidel.»

Tatsächlich nannten ihn die Pensionäre den fidelen Studenten, für mein Gefühl aber versteckte er sich hinter diesem Klischee. Mit seinen kurzen, manchmal lustigen Bemer­kungen hielt er sich nur die Leute vom Leib. Verfolgt, weil geboren – und unerwünscht im Land seiner Jugend –, woher nahm er die Kraft, seine Trauer zu verbergen?

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