Читать книгу Die Brille des Nissim Nachtgeist. Roman. Die Emigrantenpension Comi in Zürich 1921-1942 онлайн

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«Ich teile mein Leben zwischen Heimarbeit und Hochschule. Was die Heimarbeit betrifft, Sie sehen es ja, ich lasse Fäden …, mein Hochschulleben? Schwamm drüber.»

Wenn ich abends in seinem Zimmer die Nähmaschine surren hörte, wusste ich, dass Elisabeth, Nissim Nachtgeists Braut, vor der «Bernina» sass und Berufsmäntel nähte. Im Zuge einer rationellen Arbeitsweise trennte sie die zusammengenähten Stücke nicht voneinander, sodass die einzelnen Teile die «Bernina» verliessen wie Wäsche an der Leine. Surrend rannten die Kragen und Ärmel davon, als wollten sie vor den Taschen und Gürteln ans Ziel kommen. Nissim Nachtgeist trennte die einzelnen Teile dann voneinander, durchschnitt den zu einer dünnen Kordel gedrehten Ober- und Unterfaden der «Bernina» und säuberte von zu langen Fäden. Er legte die Teile wieder zu kleinen Stapeln, damit Elisabeth in bequemem Griff «fertig machen» konnte.

Manchmal half ich ihnen.

«Was sagte heute der Herbst?»

Nissim Nachtgeist hörte auf zu schneiden und sah Elisa­beth an. Die Schere war für sein handwerkliches Unternehmen viel zu klein, blieb halbgeöffnet und ruhte einem Metallkreuz gleich zwischen seinem Daumen und Zeigefinger: «Die Frage nach dem Wohltäter macht den stärksten Mann hilflos. Aber, geehrte Nachbarin, da Sie Fäden mit uns ziehen, sollen Sie wissen, wer Herbst ist: ein reicher Altwarenhändler, der Kunst und Literatur liebt. Ich habe die Aufgabe, ihm Bücher aus den Bibliotheken zu holen, er verlässt sich auf mein Urteil; das macht mir den Freitisch in seinem Hause erträglich.»

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