Читать книгу Die Brille des Nissim Nachtgeist. Roman. Die Emigrantenpension Comi in Zürich 1921-1942 онлайн

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In der ihr eigenen Erzählfreude schmückte Signora ­Teresa die Ereignisse, die mehr als dreissig Jahre zurück­lagen, in historischer Freiheit aus und beförderte den Kampfgenossen Lenins zum Kurier des Zaren, und mit ironischem Vergnügen zum Zaren selbst. Folgerichtig wurde für sie Frau Paksmann zur Zarin, und wenn ich mit Wischer und Papierkorb bis zur vierten Etage vordrang, begrüsste ­Signora Teresa mich vergnügt und fragte: «Nun, wie geht es heute dem Herrscherpaar?»

Nicht alle Pensionäre hatten den Humor und die Phantasie, über die Signora Teresa verfügte. Die wenigsten von ihnen wussten die Anstrengungen des Herrscherpaares zu würdigen. Laut sagte ein Pensionär am Frühstückstisch: «Noch immer habe ich in meinem Zimmer kein Bett, das ein Bett zu nennen wäre.»

Allabendlich aber lud die Familie eine kleine Gefolgschaft zu sich in den Salon, in dem Tee getrunken wurde. An der Anzahl der Gläser sah ich, wie gross die Gefolgschaft gewesen war. Es war ein privater Tee, den die Familie servie­ren liess, und unter den Pensionären wurde eifersüchtig dar­über gewacht, wer die Ehre hatte, geladen zu sein. Manchmal holte Herr Paksmann einen für den kommenden Tag bestimmten Dessert aus dem Kühlschrank, um seinen Gästen etwas Besonderes bieten zu können.

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