Читать книгу Es ist noch kein Meister in den Himmel gefallen. Gebrauchsanleitung für das letzte Lebensdrittel онлайн
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Für Christen ist das Leben mit dem Tod auch nicht beendet, sie gehen heim. Wenn nichts mehr übrig wäre, wer soll dann heimgehen und wohin? Muslime freuen sich auf Allahs wunderbares Land. Allein die Ungläubigen, in meinem Religionsunterricht hießen sie Heiden, schauen in die Röhre. Wer nichts glaubt, sitzt auch keinem zur Rechten. Oder doch? Kann man wiedergeboren werden, ohne es zu wollen? Kann man sich irgendwo beschweren, und was sagt Petrus dazu oder hat er keine Zeit, weil er so extrem mit dem Wetter beschäftigt ist?
Sie merken schon, liebe Leserin, lieber Leser … das hier ist kein Begräbnis oder vielleicht doch. Ich würde mit diesem Buch gerne einige »Glaubenssätze« beerdigen, die uns das Leben, schwer machen. Trauen Sie sich, mir eine Weile zu folgen in das eine oder andere Gedanken- und Gefühlsexperiment? Wagen Sie sich an das Abenteuer, dass manches anders sein könnte, als Sie glauben, auch wenn Sie eigentlich nichts glauben oder noch nie konkret darüber nachgedacht haben?
… Stellen Sie sich bitte einmal vor, es wäre nicht aus, wenn alles aus ist. Also am Ende. Stellen Sie sich vor, es würde weitergehen, und wie genau, das könnten Sie jetzt schon bestimmen. Wo soll Ihre neue Reise beginnen? Wer soll Sie begleiten? Welche Erfahrungen würden Sie gerne machen? Welche lieber meiden? Wovon hätten Sie gern mehr und wovon weniger? Angenommen, es wäre möglich, die eigene Existenz in der Zukunft zu planen – veränderte das nicht alles? Ja, selbst die Idee, nie mehr Sex zu haben, verlöre ihren Schrecken … neues Spiel, neues Glück … und auch das alte Glück trüge ein neues Gewand. Denn wenn man davon ausgeht, dass man wiedergeboren wird, kann man seine irdische Existenz relativ gelassen betrachten. Sollte es nicht optimal laufen, wetzt man diese Scharte bei der nächsten Reinkarnation aus: Was du heute nicht kannst besorgen, das verschiebe getrost auf morgen. Wenn man allerdings erwartet, dass dieses Leben die einzige Chance ist, dass es nur dieses eine Leben gibt, dann muss die Tube Leben ausgequetscht werden bis zum letzten Tropfen. Mitnehmen, was geht. Auch wenn man sich insgeheim wünscht, dass das nicht alles gewesen sein soll, sicher ist es nicht. Deshalb muss man so schnell wie möglich so viel wie möglich rausholen. Abenteuer, Anerkennung, Besitz, Erfolg, Freude, Geld, Lachen, Liebe, Macht, Luxus, Menschen, Prestige, Ruhm – je nachdem, was einem erstrebenswert erscheint. Was für ein Stress – und gleichzeitig ein Ablenkungsmanöver. Sobald wir im dritten Lebensdrittel angekommen sind, offenbart diese Taktik ihre Tücke: Die Angst vor dem Tod, vor dem wir nicht weglaufen können. So viele Bollwerke haben wir gegen den Tod errichtet, doch wer vor ihm zu fliehen versucht, läuft vor dem Leben weg. Der Hase ist immer schon da, gegen den Tod gewinnt keiner – mit ihm jeder.