Читать книгу Es ist noch kein Meister in den Himmel gefallen. Gebrauchsanleitung für das letzte Lebensdrittel онлайн

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Im Unterschied zu vergänglichen Befriedigungen ist tiefes Glück spiritueller Natur. Falsch wäre es zu glauben, es bedeute, sich auf Kosten anderer das Beste zu sichern. Wohin wir auch blicken – fehlendes Mitgefühl führt ins Leid. Materieller Fortschritt und die Verbesserung des Lebensstandards dienen zwar unserem Komfort und auch unserer Gesundheit – doch niemals der Transformation des Geistes und einem dauerhaften Frieden mit uns selbst, mit der Welt.

Viele Menschen leiden an Depressionen, wenn sie, aus ihrem Arbeitsalltag »gerissen«, das Gefühl haben, nicht mehr gebraucht zu werden. Wenn sie mit diversen Zipperlein kämpfen, nicht mehr so recht wissen, was sie eigentlich tun sollen, die Tage so lang und grau sind, und sich die Zeichen mehren, dass man allmählich in die Zielgerade einläuft. Und man ist sehr allein, mehr als allein: einsam. Einsamkeit ist die Abwesenheit der Voraussetzungen für Glück und darüber hinaus in der westlichen Welt die Todesursache Nummer eins. Sie ist der Ausgangspunkt vieler schwerer Erkrankungen und erhöht das Sterblichkeitsrisiko deutlicher als Übergewicht, Drogenabhängigkeit, Alkohol, Nikotin und mangelnde Bewegung. Einsamkeit ist zwar keine Krankheit, doch in ihrer Folge entstehen viele mit häufig tödlichem Ausgang. Darüber hinaus ist Einsamkeit die Voraussetzung für die Entwicklung fast aller psychischen Störungen wie Depression, Angsterkrankungen bis hin zur Schizophrenie, und sie verstärkt die Alzheimer-Demenz. Für uns Menschen als soziale Wesen mit einem sozialen Gehirn ist Einsamkeit der größte mögliche Stressfaktor. Sie wird im Gehirn wahrgenommen wie körperlicher Schmerz. Erst ein Land hat darauf adäquat reagiert: Seit 2018 gibt es in England ein Ministerium für Einsamkeit. Was vielen wie ein Scherz vorkommen mochte, ist leider bittere Realität. Auch zwischen 10 und 15 Prozent der Deutschen leiden zeitweise unter Einsamkeit. Bei den über 85-Jährigen sind es 20 Prozent. In einer Stellungnahme der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 zu »Einsamkeit und deren Auswirkung auf die öffentliche Gesundheit« zeigt sich außerdem, dass Einsamkeit in Deutschland zunimmt. Es sieht so aus, als entwickelten sich die geburtenstarken Jahrgänge im Alter zu einer sehr einsamen Generation – der Preis für ihre individualistische Lebensgestaltung? Alt und einsam ist bei uns zu einem Synonym geworden. In anderen Kulturen ist Einsamkeit kein Thema, gerade die dritte gilt als bedeutsame Lebensphase, vielleicht als die wichtigste. Erstaunlich, dass wir sie so oft regelrecht verschlafen.

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