Читать книгу Bruder Tier. Mensch und Tier in Mythos und Evolution онлайн
23 страница из 72
Der Zug der Heringe, das Auftauchen des Störs, das Erscheinen der Seehunde, Seelöwen und Pinguine zu ganz bestimmten Zeiten des Jahres und ihr Verschwinden nach kürzeren oder längeren Perioden sind Teilerscheinungen dieses unentwegten Kommens und Gehens, das alle Stämme der Tiere durchzieht.
Kann man diesem Wandern und Ziehen der Tiere eine einheitliche Ursache unterstellen? Es handelt sich dabei um ein ungewöhnlich komplexes Geschehen, das augenscheinlich den verschiedensten Bedingungen unterliegt. Jede einzelne Tierart hat die ihr zugehörige Form des Wanderns, und sie ist ebenso charakteristisch für die betreffende Art wie die Gestalt des Leibes oder die Anordnung der Zähne. Manche Wanderungen unterstehen jahreszeitlichen Rhythmen; andere erfolgen mit den Phasen des abnehmenden oder zunehmenden Mondes. Oft sind die Paarungs- und Geburtsperiode mit dem Ortswechsel eng verbunden. Es gibt auch nomadische Tiere, die ihren Futterplätzen nachziehen, und andere, die von einem plötzlich und ganz aperiodisch auftretenden «Wander-Wahnsinn» ergriffen werden und gleich den skandinavischen Lemmingen in den unmittelbaren Tod rennen. Versucht man, einige allgemeine Wesenszüge des Wanderns der Tiere aus der Vielfalt der einzelnen Erscheinungen herauszuarbeiten, dann ergeben sich wichtige Gesichtspunkte; wir müssen nur die Idee des Wanderns so weit als möglich fassen. Je umfassender wir das Phänomen anschauen lernen, umso deutlicher tritt das Wesentliche und Charakteristische zutage.