Читать книгу Sittes Welt. Willi Sitte: Die Retrospektive онлайн

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Eine besondere Gestaltungsweise der Selbstdarstellungen Sittes sind die Kombinationen mit Liebespaaren. Wiederholt stellte er sich mehr oder weniger voyeuristisch zusammen mit sich liebenden Paaren dar. Den Ursprung hat dieser Typus im Selbstbildnis mit Rückenakt ssss1 von 1984/85, mit dem er sein eigenes Konterfei in den Kontext von Eros und Thanatos bringt. Deutlich stärker kommt dies zum Tragen u. a. im Liebespaar mit Selbstbildnis von 1983 ssss1.10 Das Bild wird formatfüllend dominiert von einem sich küssenden nackten Paar. Im Hintergrund links taucht aus einer fensterartigen Nische das fast stoisch wirkende Bildnis des Malers auf. Bedrohlich prangt über ihm eine sich schwarz verfinsternde Sonne – ein Motiv, das in Sittes Strandbildern wiederholt vorkommt.



Das eigentliche Selbstporträtschaffen Sittes setzte mit der politischen Wende 1989/90 ein. Die für den 70-jährigen Ruheständler existenziell sich darstellenden „Wendejahre“ bewirkten eine nun erstmals intensive künstlerische Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich. Sein jahrzehntelanger mit ihm befreundeter wissenschaftlicher Wegbegleiter Wolfgang Hütt formulierte es wie folgt: „Um so [sic!] schwerer traf ihn die vollständige Auflösung des sozialistisch genannt gewesenen Weltlagers. Seine Selbstbildnisse bezeugen das für ihn Schmerzhafte an diesem Prozeß, das Empfinden eines um gehegte Erwartungen Betrogenen. Wenig Aufschlüsse vermitteln sie über mögliche, seit dem Umbruch gewonnene Einsichten, über das Erkennen einer Schuld, die durch das Verdrängen eigener Kritikfähigkeit entstand, durch das Teilhaben an der zuletzt nur auf brüchigem Boden noch stehenden Macht. Wie selbstbewußt und zukunftssicher hatte Sitte bis zu den achtziger Jahren des Jahrhunderts hin das eigene Konterfei erforscht und gemalt!“11

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