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Die Partei als Kirche

Sitte blieb dem Glauben seines Vaters an den Kommunismus treu. Seine weltliche Kirche wurde die hierarchisch strukturierte SED mit ihren Forderungen nach Unterwerfung, Gehorsam und Loyalität. Trotz seiner guten Taten in Form propagandistischer Bilder und seiner wiederholten Bekenntnisse zur unfehlbaren Weisheit der Partei misstrauten ihm die Hüter des Dogmas bis weit in die 1960er Jahre hinein, dann wurde seine unverbrüchliche Loyalität endlich mit Ämtern, Macht, Preisen und Selbstdarstellungsmöglichkeiten belohnt.

Sittes Wandbild Proletarier alle Länder, vereinigt Euch! (1978/79, ssss1) in der Parteihochschule beim ZK der SED ist ein gemalter Katechismus. Sitte selbst hatte das Thema vorgeschlagen: „Gedanken zum kommunistischen Manifest“. Im Gespräch mit Günter Gaus (1929–2004) sagte er, hier sei sein Ideal formuliert, an das er „seines Lebens Hoffnung“ geknüpft habe. „Das Kommunistische Manifest habe ich mindestens vier- oder fünfmal gelesen, das konnte ich stellenweise fast auswendig.“100 Angesichts von Karl Marx als blitzeschleuderndem Zeus drückt der Wandfries diese Gläubigkeit auch aus. Die Farbe der Roten Fahne umfängt Marx wie eine Aura, „die Linke machtvoll zur Faust erhoben.“101 Im Zentrum befreit sich der Gekreuzigte als der durch den Kapitalismus unterdrückte Mensch selbst vom Kreuz, eine Ikonografie, die Fritz Cremer in die Kunst der DDR eingeführt hatte und von Bernhard Heisig weiterentwickelt worden war.102

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