Читать книгу Selbst- und Welterleben in der Schizophrenie. Die phänomenologischen Interviews EASE und EAWE онлайн

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1.3.4 Eugène Minkowski – der »Verlust des vitalen Kontakts« als Grundstörung

Anders als Jaspers und Schneider stellte Eugène Minkowski, ebenfalls Psychiater und Philosoph, nicht die produktiven Symptome, sondern den »schizophrenen Autismus« als Ausdruck einer tiefgreifenden Störung des Selbst in den Mittelpunkt seiner Untersuchungen. 1927 erschien sein erstes Werk »La Schizophrenie«, 1933 sein Hauptwerk »Le temps vécu« (»Die gelebte Zeit«, 1971). Darin beschrieb er den Verlust des »vitalen Kontakts mit der Wirklichkeit« als die Grundstörung der Schizophrenie (»perte du contact vital avec la réalité«; Minkowski 1928/1997, S. 106). Diese führe schließlich zu einer fortschreitenden Verarmung und Erstarrung der Persönlichkeit – einer Art »verarmtem Autismus« (»autism pauvre«, Minkowski 1928/1997, S. 191), in dem die Erkrankung in Reinform in Erscheinung trete.

In seinen umfangreichen Untersuchungen des alltäglichen Lebens führte Minkowski aus, was unter dem »vitalen Kontakt« zu verstehen sei, nämlich die Fähigkeit, mit der Welt und mit anderen in Resonanz zu treten, von ihnen affiziert zu werden und angemessen zu reagieren, oder mit anderen Worten, eine präreflexive »Immersion« in die soziale Welt. Von dem französischen Lebensphilosophen Henri Bergson übernahm Minkowski darüber hinaus den Begriff des »élan vital«, ein vitalistisches Prinzip der Lebensenergie, das Minkowski auch im menschlichen »élan personnel« wirksam sah; gemeint ist der Grundantrieb, das eigene Leben zu führen und zu gestalten (Minkowski 1928/1997, S. 165 ff.). Dieser personale Elan sei durch eine Polarität zwischen zwei Prinzipien charakterisiert, nämlich Verbundenheit und Trennung, die Minkowski nach Bleuler auch als »Syntonie« und »Schizoidie« bezeichnete (Minkowski 1928/1997, S. 74 ff.).


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