Читать книгу Selbst- und Welterleben in der Schizophrenie. Die phänomenologischen Interviews EASE und EAWE онлайн
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In der Syntonie erlebt der Mensch, so Minkowski, den vitalen Kontakt mit der Realität in den Phänomenen der gelebten Zeit – der Gegenwart, der Dauer, der Kontinuität, dem Rhythmus kosmischer Prozesse ebenso wie in der Resonanz und Sympathie mit anderen, als »gelebten Synchronismus« (Minkowski 1928/1997). Zum personalen Elan gehört für Minkowski andererseits ein gewisses Maß an Schizoidie, d. h. an Distanzierung, Autonomie, Für-Sich-Sein und Trennung. Schizoidie und Syntonie stehen normalerweise in einem zyklischen Wechsel und Ausgleich. Im Falle einer überhandnehmenden Schizoidie jedoch tritt ein Erkrankungsprozess ein, der schließlich zur Schizophrenie führen kann.
In der schizophrenen Erkrankung ist der primäre Zyklus von Schizoidie und Syntonie gestört: Die Immersion in die Umwelt geht verloren, und mit dem »vitalen Kontakt« schwindet auch der personale Elan. Im Verlauf ihres autistischen Rückzugs entwickeln die Betroffenen nach Minkowski einen »pathologischen Rationalismus« und versuchen, die »Beweglichkeit des Lebens im Verstand einzusperren« (Minkowski 1928/1997). Während die dynamischen, flexiblen und anpassungsfähigen Aspekte ihrer Beziehungen verloren gehen, treten die festen, statischen und rationalen Elemente hervor – eine dem Konzept der »Hyperreflexivität« verwandte Beschreibung. Den resultierenden Autismus betrachtete Minkowski als eine »Störung der innersten Struktur des Selbst« (»trouble de la structure intime du moi« (Minkowski 1928/1997, S. 114), und damit zugleich im pathogenetischen Sinn als die Grundstörung (»trouble génerateur«) der Schizophrenie, von der die verschiedenen Kardinalsymptome ihren Ausgang nehmen.