Читать книгу Handbuch der Poetik, Band 1. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Dichtkunst онлайн

39 страница из 101

Dieser Inhalt kann nun zwar ebenfalls in einer "Handlung" bestehen, in jenem oben definierten eigentlichen, inneren Sinne, mag dieselbe nun in einem einzigen, momentanen Veränderungsvorgange erscheinen oder in einer beliebig ausgedehnten Folge von Veränderungen sich vollziehen. Aber mit dem Handlungsmoment, wenn es auch vielleicht der bedeutendste und sicherlich fruchtbarste Vorgang auf dem gesamten Gebiet des Geistes- und Seelenlebens ist, wird doch der Inhalt desselben keineswegs erschöpft. Und mag man den Begriff der Handlung, mit Berufung auf Lessings Definition als Gegenstand, dessen Teile aufeinander folgen, auch noch so widernatürlich ausdehnen, so wird es doch — ganz abgesehen davon, dass damit der bildenden Kunst der nährende Boden verkümmert, ja im Grunde völlig entzogen ist — nimmermehr gelingen, alle die zahllosen Voraussetzungen darin einzuschließen, aus denen der Entschluss (προαίρεσις) zur Handlung (πρᾶξις) hervorgeht, durch die er bedingt wird und auf denen, als fest bestehenden Grundpfeilern, er ruht! Alle diese sind die vollberechtigten Gegenstände der künstlerischen Nachahmung für alle ihre verschiedenartigsten Gebiete, denen sie mit den mannigfaltigsten Mitteln auf immer wieder anders geartete Weisen lebendig wirkende Form zu geben sucht; also das ganze, unendliche Gebiet der Empfindungen, Stimmungen, Leidenschaften, Seelenzustände und Charakterbeschaffenheiten, nicht minder die gesamte, ebenso grenzenlose Gedankenwelt, sofern sie nämlich mit jener Gemüts- und Empfindungswelt in unmittelbare Wechselwirkung tritt. Denn da die Mittel der Nachahmung durch die Kunst vermöge der Natur ihrer Werkzeuge sich nur an die sinnliche Wahrnehmung — αἴσθησις — wenden können, so kann sie ihre Gegenstände auch nur auf dem Gebiete wählen, welches mit den Kräften der sinnlichen Wahrnehmung in unmittelbarem Zusammenhange steht, das ist das Gebiet der Empfindungen und Gemütszustände; ja auch die Handlungen fallen im strengsten Sinne eben auch nur insoweit in das Gebiet der Kunst, als sie vermöge der Voraussetzungen, auf denen sie beruhen, Gegenstand Empfindung erregender Wahrnehmungen — αἰσθήσεις — werden können oder vielmehr müssen!

Правообладателям