Читать книгу Handbuch der Poetik, Band 1. Eine kritisch-theoretische Darstellung der Dichtkunst онлайн

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Absolut betrachtet stehen also die beiden Künste den sämtlichen drei Gegenständen der Nachahmung ganz gleich gegenüber.

Relativ aber ergibt sich aus der Verschiedenheit ihrer Mittel, dass die Poesie ganz direkt Handlung (πρᾶξις) nachahmen kann, Empfindung und Seelenzustand (πάθος und ἦθος) indirekt durch Handlungen;12 und umgekehrt die Malerei ganz direkt Empfindung und Seelenzustand (πάθος und ἦθος) (nicht Körper!), indirekt durch jene auch Handlung (πρᾶξις).

Die Bedingungen, unter denen solche indirekte Nachahmung in beiden Künsten möglich wird, lassen sich darnach auf das einfachste bestimmen. Handlungen sind für den bildenden Künstler darstellbar, sobald die den Entschluss bedingenden Empfindungen und Seelenzustände in den Zeichen der Körperformen und -Farben sichtbar sich direkt zu erkennen geben, oder sofern es ihm gelingt sie durch die Ähnlichkeit körperlicher Zeichen indirekt erkennbar zu machen.

Ebenso sind der Nachahmung durch die Poesie alle πάθη und ἤθη, alle Empfindungen und Seelenzustände zugänglich, sobald sie erstlich in der Bewegung der Körper oder Dinge, oder in sukzessiven Vorgängen oder Handlungen unmittelbar sich kundgeben; sodann aber auch ebensowohl, insofern es gelingt vermittelst der Ähnlichkeit von Körpern und Gegenständen, nicht allein in ihren Veränderungen, sondern auch in ruhenden Zuständen mit Empfindungs- und Seelenzuständen diese durch jene indirekt wach zu rufen. Und hier ist es, wo der Lessingsche Satz: Handlung ist der Gegenstand der Poesie, selbst bei der äußersten Dehnung des Begriffes, seine Geltung völlig verlieren muss.

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