Читать книгу Flügel auf! онлайн
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Das war nun freilich ein anderes Haus, in das ihn der Zufall geführt. Ein altes vornehmes, weitläufig gebautes Haus mit großen getäfelten Stuben und niedrigen Balkendecken, mit steingepflastertem hallendem Hausflur, kühl und sonnenlos, mit verräucherten Ölgemälden an den Treppenaufgängen, eingemauerten Wappenschildern und glänzenden Messingschlössern an den Türen. Nicht ein einziger Student wohnte darin, sondern lauter solide, wohlhäbige Vollbürger, die ihren guten Wein im Keller hatten und um zehn Uhr zu Bette gingen; Männer mit ehrfurchterweckenden Uhrketten auf Samtwesten und Kotelettbärten, Leute, die wenig Mägde hielten, weil ihre Frauen sonst nichts zu tun gewusst hätten – ein stilles, reserviert blickendes Haus, das sich etwas darauf zu gute tat, nicht modern zu sein, weil modern ihm so viel wie leichtfertig und armschluckerhaft bedeutete.
Und in diese Umgebung er hinein mit seinen zweiundzwanzig Jahren, seinem Widerwillen gegen das Hergebrachte, das ehrwürdig genannt sein wollte, nur weil es alt war – mit seinem Spürsinn für faule Flecke und unklare Verhältnisse, mit seiner Anbetung der sozialistischen Idee, die er idealisierte, zum Evangelium der Zukunft machte, mit seinem jungen Weltverbesserermut und seinem täglichen, stündlichen Verzweifeln an sich selbst. Es war ihm auch selber jedes Mal ein wunderliches Gefühl, die glatt und glänzend braun gewichsten Treppen hinanzustürmen, und in den ersten Tagen war es ihm sogar passiert, dass er den Schritt unwillkürlich dämpfte, wenn weiter oben oder unten eine Tür geöffnet wurde; nicht etwa aus Befangenheit, wie er entschuldigend zu sich selber sagte, sondern aus einem stark entwickeltem Gefühl für das Stilvolle. Es wäre nicht im Charakter des Hauses gewesen, hier studentisch ungebunden mit Pfeifen und in weiten Sätzen, wie er es gewohnt war, aus- und einzugehen. Man war schließlich auch aus guter Familie und über die erste kraftgenialische Periode hinaus – ja, und wenn einmal etwas von seinem Programm verlauten sollte, war es auch nicht übel, diesen Philistern und krassen Bourgeois zu zeigen, dass man Sozialist sein und doch die Formen der sogenannten guten Gesellschaft besitzen könne.