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So kräftig war sein Entschluss, dass er bis über die Osterferien anhielt; er ging nicht heim, wie die Eltern es gewünscht, sondern blieb die zwei stillen langweiligen Monate, wo es in den Züricher Straßen geradezu unheimlich leer an Studenten war, hinter den Büchern hocken, holte viel Versäumtes nach, ward aber aus Mangel an freundlicher Ansprache ganz öde und in sich gekehrt und fiel von einem „Moralischen“ in den anderen. Da er nun infolge dessen oft mit gefalteter Stirn, nachdenklichen Mundwinkeln und etwas gebeugter Haltung der überschlanken Gestalt einherging, setzte sich in dem Hause, das sich ganz heimlich hinter dicht zusammengezogenen Gardinen und durch Gucklöcher in den Flurtüren, mit ihm beschäftigte, die Meinung fest, dass „Frau Doktor Röslins Student“ im dritten Stock etwas Rechtes und Vornehmes sein müsse, gar zu eifrig und vielleicht auch ein richtiger Streber, nicht recht jung und duckmäuserhaft, aber jedenfalls, ein solventer Zahler. Diese hohe Meinung bekam das erste Loch nach fast zwei Monaten, als an einem wundermilden Aprilabend, voller Mondschein und Aprikosenblütenduft, der Einsame seine lang vergessene Geige dem bestaubten Kasten entnahm und bei offenen Fenstern in einem Ruck bis elf Uhr musizierte. Seit er mit Anneli gebrochen, hatte er keine Saite mehr angerührt. Ach, sie war ja nur ein Puppengehirnchen gewesen, aber wie goldig glänzten die Locken auf dem dummen runden Köpfchen, und wie verschmitzt hatte sie ihm zulächeln können, während sie mit der Großmutter die häuslichsten Dinge verhandelte. Und wie nett sie sich auf allerlei Zeichensprache verstanden, trotzdem. Fünf Finger und einer das hieß: Morgen früh um sechs Uhr geh ich zur Messe; wer Lust hat, darf mich begleiten. Ach, sie war doch sehr lieb gewesen, so frei und übermütig, wenn sie ganz allein waren, so ganz „fromme Helene“ im Beisein der Großmutter. Ja, der Neckname, über den sie fast einen ganzen Tag mit ihm geschmollt, passte ihr leider wie angegossen! Ihr letzter Streich – o nein – das war nun einfach nicht zu dulden! Ihre Sparbüchse leeren, um einem Kunstreiter eine silberbeschlagene Reitpeitsche zu kaufen, und das Geschenk ihm selber in die Wohnung tragen, vermummt in die Kleider ihres Bruders – das war – er hatte ihr harte Worte gesagt, als er es erfuhr und sie einfach ableugnete, endlich aber lachend zugab. Gewiss, er war für alle Gleichberechtigung der Frau, aber es musste Grenzen geben. Es war unausstehlich für einen Mann, betrogen zu werden, noch dazu eines Tölpels wegen.


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