Читать книгу Flügel auf! онлайн
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Aber wie er nun an diesem Frühlingsabend, ohne andere Beleuchtung als den vollen Mondschein, Chopinsche Nokturnos spielte, hatte er doch lauter Visionen von Schönheit und in Mädchengestalten verkörpertem Liebreiz, und er empfand Sehnsucht sogar nach dem Anneli, das er, wäre es gerade zur Tür hereingetreten, ohne alle weitere Rederei gewiss ans Herz gezogen hätte. Er war auch rau und ungut gewesen, hatte nicht verstanden, sie zu halten, hatte immer nur seinen Willen, sein Vergnügen berücksichtigt, obschon er wusste, dass sie ein armes, verkehrt geleitetes, haltloses Gänschen war. Vielleicht war es seine Pflicht, einmal nachzusehen, was aus ihr geworden; die Geschichte mit dem Kunstreiter war doch eigentlich kein Grund zur Entzweiung. Sie hatte ihn ja nicht zu Hause getroffen, als sie in dem gewagten Kostüm zu ihm ging, und sie hatte sich übrigens nur verkleidet, um nicht als Mädchen erkannt zu werden. Sie hatte gewissermaßen nur ihren eigenen Laufburschen vorstellen wollen, wie jener Geizhals nachts sein Haus umstrich und bellte, als ob er sein eigener Hund wäre. Die hässliche, die zweideutige Beleuchtung hatte eben er, Iversen, auf die harmlose Dummheit fallen lassen – ja wir Männer sind eben unsaubere Tiere und können uns in ein unschuldiges Irren gar nicht mehr hineindenken. Nun, und als Anneli seine empörenden Insinuationen gehört, wie sollte sie da nicht wild geworden sein? Und es ist nicht wahr, dass bei einem Streit sich immer der inwendige, sonst verborgene Mensch herauskehrt! Ganz im Gegenteil; man sagt Dinge, an die man nie gedacht hat, von denen man später selbst nicht begreift, wie sie einem auf die Zunge kommen. Der Jähzorn, der Rachsinn greift blind nach der ersten schlechtesten Waffe; die Wunde, die sie verursacht, ist gewollt, und doch nicht immer so gewollt; Notwehr entschuldigt selbst den Totschläger.